Es ist eine unruhige Nacht. Ständig kommen neue Fahrzeuge und um drei Uhr morgens rast ein Rudel wild gewordener Mofas zwischen den geparkten Wohnmobilen umher – jedenfalls hört sich das für uns so an. Egal, ich kann wieder einschlafen und als der Wecker um 4:50 piepst, um uns wieder auf die Reise zu schicken, haben wir überhaupt keine Lust aufzustehen. Wir stellen den Wecker eine Stunde weiter. Was soll's! Wir haben ohnehin genügend Zeitreserven.
Als wir tatsächlich aufbrechen, ist es eineinhalb Stunden später als geplant. Die Kinder schlafen noch; wir schleichen uns nach vorne ins Cockpit und fahren los. Bis zur Grenze nach Italien sind es nur noch zwei Kilometer und die legen wir im Schrittempo zurück. Übrigens: wie sich später herausstellt, haben wir großes Glück gehabt, denn wir waren die ersten in der großen Pfingstreisewelle. Nach uns muß ein mittleres Verkehrschaos stattgefunden haben, berichtet man uns später an der Fähre.
In Italien läuft der Verkehr gut. Die Kinder schlafen und wir kommen schnell vorwärts. Als sich drei Stunden später die Kinder rühren, haben wir schon die Hälfte der verbleibenden Strecke nach Venedig geschafft. Auf einem Rastplatz legen wir eine Frühstückspause ein. Um 12:00 Uhr erreichen wir den Hafen von Venedig.
Mittlerweile ist es sehr warm geworden. Am Pier der Strintzis Lines werden wir auf einen Warteplatz eingewiesen. Unser Schiff liegt schon im Hafen. Ich gehe in das Rezeptionsgebäude und erledige die Formalitäten. Unser hinterlegtes Ticket ist da und muß nur noch bezahlt zu werden. Die freundliche Dame an der Rezeption teilt mir mit, daß die Paßkontrolle um 15 Uhr stattfindet und direkt danach mit der Beladung des Schiffes begonnen wird. Uns bleiben noch zweieinhalb Stunden, in denen wir auf unsere kleinen Wildwutze aufpaßen müssen, damit sie nicht ins Hafenbecken fallen.
Sarah fragt uns seit gestern immer wieder: "Sind wir jetzt im Urlaub?". Mama antwortet: "Ja, Sarah, wir sind im Urlaub. Sobald wir mit dem Wohnmobil wegfahren, sind wir im Urlaub." Sarah sieht das jedoch anders: "Aber ich hab' doch noch gar kein Eis gegessen!" Das kann ja lustig werden. Mittlerweile spricht sie schon wie eine Große. Also sorgen wir dafür, daß auch Sarah Urlaub hat, und kaufen allen ein großes Eis.
Von unserem Warteplatz neben der Hafenmauer kann man in der Ferne die landenden Flugzeuge sehen. Ich traue meinen Augen kaum, als ich plötzlich eine Concorde einschweben sehe. Es besteht kein Zweifel: am Samstag, den 22. Mai ist auf dem Flugplatz von Venedig ein Überschallpassagierflugzeug gelandet. Ich weiß nicht, ob das hier normal ist. Bislang dachte ich, dieser Flugzeugtyp verkehrt nur zwischen Paris und New York. Für mich ist das die erste Concorde, die ich live sehe.
Die Wartezeit wird nicht lang. Bis ich unsere letzten Erlebnisse aufgeschrieben und die Kinder etwas gegessen haben, ist es auch schon halb drei. Sarah und ich machen uns auf den Weg zur Paßkontrolle. Im Schaltergebäude kann sie noch etwas herum springen und sich austoben.
Als wir zurück kommen, dauert es nicht mehr lange, bis die Verladung der Wohnmobile beginnt. Die Fahrzeuge mit Zielhafen Patras kommen zuerst an Bord, weil sie ganz hinten stehen müssen. Danach kommen die Fahrzeuge, deren Insassen nach Korfu möchten. Alle, die nach Igoumenitsa reisen, stehen in der Schlange ganz hinten, denn sie müssen zuerst wieder von Bord.
Wir haben noch einigermaßen Glück, denn als wir als viertes Wohnmobil auf das Schiff kommen kommen, bekommen wir noch einen Stellplatz an der Außenseite des Campingdecks, mit Blick auf eine der wenigen Öffnungen nach außen. Vom Alkovenfenster aus kann man sogar das Meer sehen.
Wir machen uns eine Kleinigkeit zu essen, danach gehen Annemarie und die Kinder das Schiff erkunden. Sarah als alter Hase für Fährpassagen nach Griechenland, weiß ganz genau, daß solche Schiffe stets ein Kinderspielzimmer mit Kugelbad oder Rutsche haben. Dort will sie sofort hin und Mama gibt, um des lieben Friedens willen, nach.
Ich bleibe allein zurück im Wohnmobil und mache es mir bei einem Videofilm gemütlich. Kurz von 19 Uhr mache ich meine Videokamera bereit und begebe mich aufs Oberdeck, denn die Fahrt durch Venedig möchte ich mir und meiner Kamera auch dieses Jahr nicht vorenthalten. Ich ergattere ein tolles Plätzchen an der Reling, ganz hinten am Heck.
Alles ist perfekt: ich habe einen tollen Beobachtungsposten, die Kinder sind irgendwo … nur ich friere. Mir geht ein schlauer Satz durch den Kopf, der besagt, daß es nichts wirklich perfektes auf dieser Welt gibt. Diesmal habe ich vergessen, mir etwas Wärmeres anzuziehen, denn hier oben ist es ganz schön windig und die Sonne geht langsam unter. Zu allem Überfluß macht die Fähre um 19 Uhr keinerlei Anstalten, abzulegen. Tatsächlich legen wir erst gegen 20 Uhr ab. Zeit genug, zu frieren und zu überlegen, was nun wichtiger sei: die Aufnahmen von Venedig oder die Tatsache, daß ich mir hier oben eine kräftige Erkältung hole. Ich entscheide mich für die Videoaufnahmen und halte meinen Platz. (Und weil ich auch keinen Fotoapparat dabei habe, gibt es hier kein Foto von Venedig!).
Als ich ins Wohnmobil zurück komme, sind die Kinder schon fertig fürs Bett. Annemarie liest den Kleinen noch eine Geschichte vor und versucht sie, zum Schlafen zu bringen. Es gelingt mit mehr oder weniger Geschrei.
Wir Großen versuchen, unseren angefangenen Film weiter zu schauen, aber uns fallen die Augen zu. Also ab ins Bett. Morgen ist noch genügend Zeit, denn wir sind den ganzen Tag an Bord.
Übrigens haben Annemarie und Sarah kein Kinderzimmer gefunden. Obwohl im Prospekt damit geworben wird, gibt es hier kein Spielzimmer. Lediglich eine kleine Ecke mit einem Fernseher hat man an Bord für die Kinder übrig. Noch eines stinkt uns im wahrsten Sinne des Wortes gewaltig:
Genau inmitten des Campingdecks steht die zentrale Müllentsorgung des Schiffes und verströmt ein ganz und gar uneinladendes Aroma. Je nach dem, wie der Fahrtwind durch das Schiff streicht, bekommt man immer wieder eine Briese davon ab.
Wie wir später im Gespräch mit anderen Strintzis-Reisenden mitbekommen, ist dieser Müllcontainer für die meisten der Grund, zukünftig auf anderen Linien zu buchen. Einen Standplatz in der Nähe dieser Müllpresse zu haben, aus der unten stinkende Brühe herausläuft, ist wirklich eine Zumutung. Strintzis aufgepaßt: wir werden auch wieder woanders buchen, wenn Ihr das nicht ändert. In unserer Newsgroup de.rec.reisen.camping werde ich das Thema aufgreifen und nach den Erfahrungen anderer Superferry Hellas-Geschädigter fragen.