Donnerstag, 24. Juni 1999

Der Wecker piepst mitten in der Nacht um 5:30 Uhr (für mich ist das mitten in der Nacht, wenn man berücksichtigt, wann ich ins Bett gegangen bin). Ich drücke auf den Knopf 'bitte verschone mich noch einen Augenblick!' und drehe mich um. Fünf Minuten später piepst das erbarmungslose Gerät wieder. Ich öffne die Jalousie einen kleinen Schlitz und schaue nach draußen – es dämmert bereits. Ich bin todmüde, weiß aber, daß es diese Chance nur einmal in diesem Urlaub gibt. Die Aufnahmen von Meteora in der aufgehenden Sonne wären bestimmt wunderschön und würden einen eigenen Kurzfilm über dieses Thema rechtfertigen. Also gut, ich stehe auf. Es ist kalt hier oben, das habe ich gestern abend bereits gemerkt. Also ziehe ich meine lange Jeans und eine Sweatshirt an. Leise stelle ich das Filmequipment zusammen und schleiche mich aus dem Wohnmobil. Ich packe alles auf mein 'Expeditionsfahrzeug' und lasse den Roller einige Meter von unserem Schlafplatz weg rollen, bevor ich den Motor starte. Es muß ja keiner von den anderen um diese Zeit geweckt werden.

P014283.jpg (11200 Byte)Es ist schon relativ hell, als ich beim ersten Kloster ankomme. Die Sonne ist noch nicht aufgegangen, aber am Horizont bildet sich schon ein heller Saum, der den Sonnenaufgang ankündigt. Trotzdem liegt eine gespenstische Stimmung über den in der Dämmerung liegenden Klostern. Ständig fallen mir Szenen aus dem Film 'Der Name der Rose ein'.

Das schlimme aber ist: mir ist saukalt. Der Wind pfeift in extremen Windstärken und ich verfluche mich selbst, weil ich vergessen habe, mir eine warme Jacke mitzunehmen. Eisern sammle ich meine Aufnahmen und versuche nicht daran zu denken, wie kalt mir ist. Zwischendurch mache ich ein paar gymnastische Übungen, um den Kreislauf anzuregen.

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Die Aufnahmen rechtfertigen aber das Leid. Ich beiße mich durch, wechsle immer wieder den Standort, wobei die Fahrten mit dem Roller die Kälte noch steigern, weil zum ohnehin schon eiskalten Gegenwind noch der Fahrtwind kommt.

P014296.jpg (13635 Byte)Irgendwann sehe ich den ersten Sonnenstrahl sich auf dem im Hintergrund befindlichen Bergmassiv reflektieren. Jetzt dauert es nicht mehr lange, rede ich mir ein und mache Kniebeugen. Als das erste der Kloster von einem Sonnenstrahl getroffen wird, läuten dort die Glocken. Es ist ein Erlebnis. Ich versuche den Augenblick mit der Videokamera einzufangen, vermute aber, daß der Ton im Pfeifen des eisigen Windes untergeht.

P014305.jpg (17779 Byte)Jetzt aber los. Die Klöster liegen so, daß die Sonne sie zu unterschiedlichen Zeiten erreicht. Ich fahre zum großen Kloster Metamorphosis. Dort liegt bereits die Kapelle im Sonnenschein. Der Rest ist noch im Schatten des Berges, hinter dem sich die Sonne im Moment noch versteckt. Der Wind pfeift so stark, daß ich mich in einer kleinen Kapelle, die sich beim Parkplatz des Klosters befindet, unterstelle, um darauf zu warten, daß auch dieses Kloster vollständig in der Morgensonne liegt. Während ich warte, treffen einige Bauarbeiter ein. Ich beobachte sie auf dem Weg in das Kloster. So kann ich sehen, auf welchem Weg man dort hinein geht. Nachdem ich einige Zeit gewartet habe, das Kloster aber immer noch nicht vollständig im Sonnenschein liegt, gebe ich erst mal auf und packe mein Equipment wieder zusammen.

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P014312.jpg (19759 Byte)Ich wechsle abermals den Standort und fahre zum benachbarten Kloster Varlaám. Hier ist die Sonne bereits vollständig angekommen.

Meine Standorte wähle ich nun vorwiegend nach der Tatsache, daß sie selbst auch in der Sonne liegen müssen. Die wärmenden Strahlen tauen mich langsam wieder auf und machen den kalten Wind etwas erträglicher. Ich fahre zwischen den Klostern hin und her, wechsle ständig den Standort und damit auch die Perspektiven. Jetzt, wo die Sonne da ist, macht mir die Sache großen Spaß.

Das Wechselspiel von Licht und Schatten bringt ständig neue Bilder und langsam lerne ich die Landschaft kennen. Ich weiß, welches Kloster sich hinter welchem Felsenberg verbirgt und kann abschätzen, wann die Sonne es erreichen wird.

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Wie lange ich schon unterwegs bin, weiß ich nicht. Ich habe die Runde um die Klöster fast abgeschlossen und kehre um.

P014369.jpg (25211 Byte)Jetzt möchte ich gerne noch einer Sache auf den Grund gehen: Aus der Ferne habe ich Felslöcher gesehen, die sehr groß zu sein scheinen. Mich würde interessieren, wie man dort hin kommt. Ich fahre zurück zum Kloster Varlaám und klettere auf die unterhalb liegenden Felsen. Nach einer etwas waghalsigen Ketterpartie, natürlich einhändig, weil ich in einer Hand die Videokamera auf dem Stativ und den Fotoapparat tragen muß, erreiche ich die Felslöcher, die ich am Morgen nur aus der Ferne sehen konnte. Bei einem ist sogar eine Tür eingemauert.

P014375.jpg (22269 Byte)Ich klettere, bis ich diese Tür erreiche. Im Inneren riecht es stark verbrannt. Die Decke und die Felsen sind rußgeschwärzt. Als sich meine Augen an die Dunkelheit gewöhnt haben, erkenne ich Fledermäuse hin und her huschen. Ich stelle die Videokamera auf und mit Hilfe des Zooms lokalisiere ich einen kleinen Vampir an der Höhlendecke hängen. Ich lasse die Kamera laufen und habe Glück: innerhalb weniger Minuten baumeln bei laufender Kamera über zehn Fledermäuse an der Decke.

Jetzt wird es aber Zeit, zum Wohnmobil zurückzukehren. Ich habe keine Uhr dabei und weiß nicht, wie lange ich schon unterwegs bin. Meiner Schätzung nach müßte der Rest unserer Mannschaft schon gefrühstückt haben. Hoffentlich haben sie noch keinen Suchtrupp nach mir los geschickt.

Als ich die Wagenburg erreiche, sind die Vorbereitungen für das Frühstück gerade in vollem Gange. Es ist 9:30 Uhr und ich war volle vier Stunden unterwegs. Der Wind hat nachgelassen und mittlerweile ist mir warm in meinem langen Sweatshirt.

P014390.jpg (23225 Byte)Wir frühstücken, wie immer, an einer langen Tafel. Danach richten wir uns für eine Klosterbesichtigung her. Gemäß den Vorschriften müssen Männer lange Hosen tragen und Frauen lange Röcke.

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P014396.jpg (15129 Byte)Mit unseren drei Rollern transportieren wir die 16 Personen zum Kloster Metamorphosis, dem größten Felsenkloster. Jeder muß drei mal fahren, bis alle oben sind. Für uns Rollerfahrer ist es eine herrliche Aufgabe auf einer idealen Bergstrecke. Mit Uwe liefere ich mir auf den Leerfahrt heiße Verfolgungsrennen, wobei ich vorausfahre und er mich jagt. Obwohl sein Roller eigentlich etwas schneller ist, als meiner, schafft er es nicht, mich einzuholen.

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Wir besichtigen das Kloster, dürfen aber in den Museen und Kapellen nicht fotografieren oder filmen. Ich halte mich daran.

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P014438.jpg (25132 Byte)Nachdem wir alles besichtigt haben, treffen wir uns auf der Aussichtsplattform, von wo aus man einen herrlichen Ausblick auf die umgebende Landschaft hat. Allerdings sollte man schwindelfrei sein, wenn man hier am Geländer lehnt, um nach unten zu blicken.

Mit den drei Rollertaxis geht es zurück zu den Wohnmobilen, wo es noch mal etwas zu essen gibt, bevor es auf die Weiterfahrt Richtung Pelios geht.

Uwe und Ulrike begleiten uns wieder und da ihr 75 PS Saugdiesel der langsamste unserer Wohnmobile ist, fährt er als Schrittmacher voraus. Ulrike hat im Schulz einen Strand bei Lefokastro ausfindig gemacht, wo sie uns nun hinlotsen will.

P014462.jpg (15298 Byte)Die Fahrt geht flott voran, lediglich die letzten fünf Kilometer zum Strand arten zum Abenteuer aus. Schlaglöcher, enge Bäume, Dreckpisten und äußerst steile Straßenabschnitte wechseln sich ab oder treten in Kombination auf. Da wir das größte Mobil haben und aufgrund der Motorradrampe einen langen Überhang hinter der Hinterachse haben, muß Annemarie immer wieder aussteigen, um mich Zentimeter für Zentimeter über die Bodenwellen zu winken – immer mit dem Kopf auf der Straße, nach der Bodenfreiheit schielend. Zwischendurch haben wir trotzdem einmal Bodenkontakt. Hier müssen wir die zwei 'Grazien' Annika und Sabrina, die meistens bei uns im Kinderzimmer mitfahren, nach draußen schicken, damit das Wohnmobil etwas aus den Federn kommt. Irgendwie schaffen wir es aber doch, bis zum Strand vorzudringen. Erleichtert suchen wir uns einen Stellplatz, wobei wir Männer uns schon Gedanken um den Rückweg machen. Es gibt keine Alternativstrecke, wie ich später bei einer Erkundungsfahrt mit dem Roller feststelle.

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Die Sonne versinkt bereits im Meer, wir finden einen schönen Stellplatz, gerade mal 10 Meter vom Meer entfernt, wo wir unsere vier Wohnmobile hintereinander aufstellen können. Nachdem wir es uns etwas eingerichtet haben, geht es mit den Rollertaxis in das nahegelegene Örtchen zum Essen. Etwas viel Wein bringt uns Eltern zum Singen und als wir wieder bei den Wohnmobilen sind, ist für mich der Tag gelaufen. Immerhin bin ich heute schon seit 5:30 Uhr auf…