Dienstag, 29. Juni 1999

P014688.jpg (16481 Byte)Um 7 Uhr reißt mich der Wecker aus den schönsten Träumen. Ich schaue aus dem Alkovenfenster um mich zu vergewissern, daß ich nicht der einzige bin, der sich um diese schlaftrunkene Zeit aus dem Bett schält. Aber auch in den beiden anderen Wohnmobilen ist bereits jemand wach. Annemarie kocht noch schnell einen Kaffee und dann geht die Fahrt los.

P014713.jpg (16759 Byte)Unsere Strecke führt quer über die Insel nach Halkida, wo eine Brücke hinüber zum Festland führt. In der Meerenge zwischen Euböa und dem Festland hat das Wasser eine Strömung wie ein Fluß. Sechsmal täglich ändert das Wasser seine Fließrichtung. Als wir Halkida erreichen, ist dort Hochbetrieb und wir finden keinen Platz zum Stehenbleiben.

Wir überqueren die Brücke und fahren weiter Richtung Korinth. Da die Kinder noch nicht gefrühstückt haben, gehe ich davon aus, daß Georg, der mal wieder als Pfadfinder und Schrittmacher voraus fährt, bald stehen bleibt, damit wir die Kinder versorgen können. Ich nehme mir vor, auf das Frühstück zu verzichten und dafür während der Pause den Roller von der Rampe zu holen um nach Halkida zurück zu fahren. Dummerweise erzähle ich Annemarie von diesem Vorhaben und provoziere so einen handfesten Familienstreit, der sich über den ganzen Tag hinziehen wird.

Georg fährt und fährt. Er hält nicht an, obwohl ich unterwegs einige, für eine Wagenburg geeignete Plätzchen zu sehen glaube. Mein Fehler ist, daß ich Annemarie darauf hinweise und ihr sage, daß ich wünschte, Georg würde anhalten, damit die Entfernung von Halkida nicht zu groß wird. Annemarie hält mir ein Referat darüber, warum ich nicht einfach anhalte und den anderen mitteile, daß mir ein Aufenthalt in Halkida so wichtig sei. Ich entgegne, so wichtig sei mir der Besuch der Meerenge nicht, ich hätte lediglich mit dem Gedanken gespielt, dorthin zurück zu kehren. Annemarie gibt aber keine Ruhe.

Als Georg letztendlich einen Frühstücksplatz entdeckt, sind wir bereits 25 Kilometer von Halkida entfernt. Ich weiß, daß ich gestern abend den Tank meines Rollers bis auf Reserve leer gefahren habe und daß die letzten 25 Kilometer keine Tankstelle zu sehen war. Außerdem verdoppelt sich die Distanz, denn ich muß ja auch zurück zum Wohnmobil. Da die Strecke hauptsächlich über bergige Serpentinen führte, kann man auch nicht so schnell fahren und auf solch einer Straße werden 50 Kilometer ganz schön lang – vor allem für die zurückgebliebenen Wartenden.

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Annemarie meint, ich sei beleidigt, weil unser gestriges Vorhaben, in Halkida anzuhalten, nicht in die Tat umgesetzt wurde und teilt das den anderen während des Frühstücks mit. Daraufhin beschießen alle mit einer großen Mehrheit, nach Halkida zurückzukehren. Ich komme mir ziemlich bescheuert vor. Ich habe eigentlich nichts anderes gesagt, als das ich mit dem Roller nach Halkida zurück gefahren wäre, wenn der Sprit gereicht hätte und die Distanz nicht so groß gewesen wäre. Nur mit erheblichen Diskussionen kann ich den Rest unserer Mannschaft von ihrem Vorhaben, zurückzufahren abbringen. Schließlich haben wir heute noch einige Kilometer vor uns und ich möchte die Kinder nicht den ganzen Tag ans Wohnmobil binden.

Nach dem Frühstück fahren wir weiter. Die Strecke geht über Theben Richtung Korinth. Unterwegs haben wir einen Beinahe-Unfall mit einem Taxi, welches uns auf offener Strecke bei ca. 100 km/h aus einer Seitenstraße die Vorfahrt nimmt. Nur mit einer Vollbremsung und einem Ausweich-Überholmanöver kann ich einen Auffahrunfall verhindern.

Überhaupt habe ich den Eindruck, daß die Griechen heute fahren, als ob sie geisteskrank wären. Da wird in engen Serpentinenkurven überholt, obwohl der Überholende nichts sehen kann, ein Lastwagen überholt an einer total unübersichtlichen Stelle unseren gesamten Konvoi und weitere riskante Überholmanöver werden durchgeführt, wobei die Griechen jedesmal Leib und Leben riskieren – nicht nur ihr eigenes, sondern auch unseres. Liegt es an der Hitze, die hier und heute besonders extrem ist? Helmut berichtet, sein Außenthermometer zeige zur Zeit 39 Grad an.

Wir erreichen Korinth gegen 16 Uhr. Bereits unterwegs habe ich mit dem Schlaf gekämpft. Wir müssen dringend einkaufen und da es in Korinth einen großen, klimatisierten Supermarkt gibt, nutze ich die Einkaufspause, um mich ein wenig hinzulegen und zu schlafen, während alle anderen einkaufen gehen. Tatsächlich kann ich einige Minuten schlafen, bevor die Mannschaft zurück kehrt.

Als nächstes Etappenziel haben wir das nicht weit entfernte Isthmia anvisiert. Unsere Mitreisenden waren im letzten Urlaub aufgrund unseres Reiseberichtes von 1998 hier, hatten aber nicht das Glück, ein Schiff durch den Kanal fahren zu sehen. Außerdem sind die Kinder stark an einem Eis interessiert und die Eltern mußten ihnen bereits im Supermarkt versprechen, daß es in Isthmia Eis gibt.

P014778.jpg (15740 Byte)Als wir das Ende des Kanals mit seiner versenkbaren Brücke erreichen, passiert tatsächlich gerade ein von einem Schlepper gezogener kleiner Tanker den Kanal. So kommen alle auf ihre Kosten. Zuvor haben wir jedoch etwas abseits des Kanals auf einer schattigen Fläche Kaffee getrunken und Kuchen gegessen. An einem kleinen Ständchen bekommen die Kinder ihr Eis und als alle zufrieden zurück an ihren jeweiligen Wohnmobilen angelangt sind, setzen wir die Fahrt fort. Unser heutiges Übernachtungsplätzchen wird die Festung Akrokorinth sein. Oben auf dem Festungsberg soll es ein schönes Plätzchen zum Übernachten geben, hat Georg berichtet. Ich vermute, daß das der Parkplatz ist, auf dem wir letztes Jahr auch standen, als ich die Burg besichtigt habe. Wir verlassen Korinth und Georg, unser Pfadfinder fährt voraus, um uns zu unserem Übernachtungsplätzchen zu führen.

Zielstrebig biegt er auf die Autobahn Richtung Tripolis ein, gefolgt von Helmut, dem wiederum wir hinterher fahren. Wir fahren und fahren, der Berg von Akrokorinth zieht an uns vorbei, ohne daß eine Autobahnausfahrt kommen würde. Ich kenne die Strecke und weiß, daß wir bald eine Mautstelle erreichen werden, wo über 1000 Drachmen von uns verlangt werden und hoffe, daß Georg seinen Irrtum rechtzeitig bemerkt. Tatsächlich kommen wir zu der Mautstelle, ohne daß wir eine Ausfahrt gefunden hätten. Während Georg und Helmut sich mit der Begründung, sie hätten sich verfahren, durch die Mautstelle mogeln, wenden wir vor der Mautstelle auf der Autobahn.

Jetzt sind wir vorne und als Pfadfinder werden wir Akrokorinth schon finden, zumal wir letztes Jahr schon einmal hier waren. Wir finden die richtige Straße. Auch einen Brunnen am Fuße des Festungsberges entdecken wir.

P014810.jpg (20435 Byte)Das Wasserfassen gerät zur sinnlos langen Prozedur. Ständig drängen sich Griechen mit riesigen Kanistern vor dem einzigen Wasserhahn. Georg fährt irgendwann davon. Er will sich eine Tankstelle suchen und dort Wasser tanken. Ich sitze mit Helmut in unserem Wohnmobil und warte darauf, daß wir auch einen Tropfen Wasser ab bekommen. Annemarie managt die Befüllung der Flaschen und Kanister und als ich nach eineinhalb Stunden immer noch kein Wasser im Tank habe, reißt auch mir der Gedultsfaden und ich fahre weg, um mir eine Tankstelle zu suchen.

Aber die scheinbar einzige Tankstelle weit und breit akzeptiert keine Eurocard und so kehre ich unverrichteter Dinge zurück zum Brunnen. Die anderen sind mittlerweile fertig und fahren den Berg hoch auf den Parkplatz vor der Burg. Annemarie und ich streiten uns einige Zeit heftig über die Vorgehensweise beim Wassertanken und dann bringe ich sie und die Kinder auch hinauf zur Festung. Die anderen möchten in der Taverne dort oben zu abend essen gehen und Annemarie und die Kinder sollen mitgehen.

Ich selbst fahre wieder zurück zum Brunnen um Wasser zu holen. Ich muß heute einige Zeit alleine sein und habe auch keine Lust, mit den anderen zu essen. Deshalb stelle ich mich am Brunnen an und warte geduldig zusammen mit den Griechen darauf, daß ich ab und zu meinen Kanister füllen darf, den ich dann ins Wohnmobil kippe, um mich erneut anzustellen. Währenddessen trinke ich Bier – es war gut, daß Annemarie heute in Korinth einen Vorrat davon eingekauft hat.

Der Brunnen scheint ein abendlicher Treffpunkt zu sein, es kommen immer mehr Griechen abgefahren, um sich mit ihren Kanistern anzustellen. Es macht mir Spaß, zwischen ihnen zu sitzen und sie zu beobachten. Wahrscheinlich reden sie auch über mich, aber ich verstehe kaum ein Wort und nach dem zweiten Bier ist mir ohnehin alles Egal. Bis ich Tank und Kanister tatsächlich voll habe, ist es längst stockdunkle Nacht, vielleicht 23 Uhr. Ich bin jetzt auch der Letzte am Brunnen.

Ich fahre zurück auf den Berg und komme gerade rechtzeitig, damit Annemarie die Kinder ins Bett bringen kann. Das Abendessen ist abgeschlossen, aber ich habe ohnehin keinen Hunger. Bier macht auch satt und so genehmige ich mir noch eine Flasche, mit der ich mich auf dem Berg neben dem verschlossenen Festungstor zurück ziehe. In der Taverne, unten am Parkplatz, wird Sirtaki getanzt und die Musik ist sehr laut. Von meinem Beobachtungsposten kann ich nur die Beine der Tanzenden sehen. Es scheint dort unten sehr lustig zuzugehen.

Nach und nach verlöschen die Lichter in den geparkten Wohnmobilen und als alle Lichter bereits lange aus sind, kehre auch ich ins Wohnmobil zurück, um ins Bett zu gehen.