Mittwoch, 26. Mai 1999

Mittwoch, der 26. Mai 1999

Mittwoch, der 26. Mai 1999

P012113.jpg (14326 Byte)Heute morgen, direkt nach dem Frühstück packen wir zusammen, tanken an dem Wasserschlauch noch mal voll und brechen danach auf. Wir möchten durchs Hinterland Richtung Osten zum Argolischen Golf. Annemarie studiert die Griechenlandkarte und lotst mich quer durchs griechische Hinterland. Erst geht es über auf unserer Peloponneskarte rot eingezeichnete Straßen, dann über die schmaleren gelben. Unser Weg führt uns in die Berge. Immer höher geht es hinauf. Bei der Ortschaft Kaletzi geht die gelbe Straße in eine weiße über, teilt mir Annemarie mit. Ob wir dort auch noch fahren könnten? Klar, das wird probiert, entgegne ich. Ich liebe diese kleinen Abenteuer. Daß wir heute noch genügend Abenteuer haben werden, mehr als uns lieb ist, wissen wir zu diesem Zeitpunkt noch nicht. In Serpentinen geht es den Berg hinauf bis wir weit über der umgebenden Landschaft sind. Obwohl unten im Tal die Sonne scheint, ist hier in den Bergen der Himmel bewölkt. Als wir die Ortschaft Kaletzi erreichen, halten wir auf der Platia (oder dem Platz, der mal eine Platia werden soll) an, weil Annemarie sich nicht sicher ist, ob wir nicht den letzten Abzweig hätten nehmen sollen. Außerdem ist es Zeit, eine Kleinigkeit zu essen.

P012123.jpg (18446 Byte)Während Annemarie einen griechischen Salat zubereitet, hole ich den Roller von der Rampe und fahre in die Ortschaft vor, um zu erkunden, ob es dort weiter geht. Aber wenige Meter weiter ist die Straße plötzlich nur noch eineinhalb Meter breit – zu schmal für uns. Ich kehre um. Es muß doch der letzte Abzweig gewesen sein.

P012126.jpg (22852 Byte)Also erkunde ich die andere Strecke. Aber auch diese sieht nicht so aus, als wäre sie für unser vier Tonnen schweres Gefährt geeignet. Die Entscheidung wird mir jedoch zwei Kilometer weiter abgenommen, als der Weg plötzlich unvermittelt mit einem Zaun quer über die Straße gesperrt ist. Wir werden uns wohl einen anderen Weg über die Berge suchen müssen. Ich kehre auf die Platia zurück, wo meine Salatportion bereits auf mich wartet.

P012140.jpg (12175 Byte)Sarah hat während der letzten Kilometer hinten im Kinderzimmer geschlafen. Jetzt ist sie wach geworden und darf ihren Salat vor dem Wohnmobil auf einem kleinen, improvisierten Tischchen einnehmen, während Annemarie das Geschirr abwäscht und ich den Roller wieder auflade. Ein Gewitter zieht auf.

P012146.jpg (12001 Byte)Als wir fertig sind, verlassen wir die Ortschaft im Rückwärtsgang, denn zum Umkehren ist es hier zu eng. Vor der Ortschaft, an dem besagten Abzweig ist Platz zum Wenden.

Die ganze Strecke, den Berg hinunter, müssen wir zurück fahren. Annemarie hat eine andere Strecke, wenige Kilometer weiter südlich entdeckt – auch mit einer weiß eingezeichneten Straße. Diese Schotterpiste sieht nicht so schlimm aus, also biegen wir dorthin ab. Tatsächlich erklimmen wir einige Kilometer weiter plötzlich ein nagelneues Teerband. Der Weg wird gerade asphaltiert. Die Freude währt nur kurz, denn bald endet die geteerte Fläche wieder und es geht im Schrittempo auf mit flüssigem Teer bespritztem Schotter weiter. Ich versuche, so langsam wie möglich zu fahren, denn die Teerspritzer sind schlecht vom Lack abzubekommen. So holpern wir auf der Schotterstraße dahin. An jedem Abzweig halten wir an und versuchen die griechischen Buchstaben der Wegweiser zu Ortsnamen zusammenzusetzen, die wir auf unserer Landkarte wiederfinden können.

An einem Abzweig weist mich Annemarie an, links abzubiegen. Wir gelangen auf eine Holperschotterstrecke, die mich an die letztjährige Abenteuerstrecke des Schulz, von Leonidio nach Monemvasia, erinnert. Der Weg fällt steil ab, und hundert Meter nach dem Abzweig stehen wir vor einer ausgespülten Pfütze. Ich versuche, mich langsam durchzutasten, aber als sich das Heck absenkt, sitzen wir auf.

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Vorsichtig setze ich zurück und versuche es weiter links noch mal. Wieder haben wir mit der Motorradrampe Bodenkontakt. Unser Überhang ist einfach zu lang. Während wir noch überlegen, was wir jetzt tun können, kommt ein Grieche mit einem Pickup angefahren. Er kann nicht vorbei, weil wir den ganzen Weg blockieren. Bis jetzt haben wir noch kein Problem, geben wir ihm zu verstehen. Wir müssen nur die Motorradrampe abnehmen, dann wird's schon gehen.

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Ohne Rampe versuche ich, den Wagen vollends durch die Kuhle zu dirigieren, aber ich bin mit den linken Reifen in den morastigen Seitenstreifen geraten und nun sinkt das Heck gnadenlos ein. Mit schrammenden Geräuschen geht es noch einen halbem Meter voran, dann ist Schluß. Weder einen Zentimeter vorwärts, noch zurück, läßt sich das Wohnmobil bewegen. Der rechte Voderreifen dreht nur noch durch – aus. Wir wollten das Abenteuer, jetzt haben wir es…

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… und kommen ohne fremde Hilfe nicht mehr heraus, soviel ist klar. Der Grieche gibt uns zu verstehen, er werde einen Traktor holen und quetscht sich mit seinem Pickup an uns vorbei, um seine Fahrt fortzusetzen. Wir warten einige Zeit und versuchen derweil, die Erde unter dem Heck mit dem Klappspaten wegzugraben, denn wir sitzen mit dem gesamten linken Fahrzeugunterboden auf dem Dreckboden auf. Das linke Hinterrad ist bis zur Nabe im Morast versunken. Der Billigspaten macht es jedoch nicht lange und gibt seinen Geist bald auf. Annemarie setzt die Tätigkeit mit einem Küchenmesser fort. 

P012158.jpg (20457 Byte)Als lange Zeit kein Traktor kommt, versuche ich, mit dem Motorrad Hilfe zu holen. Doch der Weg, den wir eigentlich einschlagen wollten, erweist sich bald als fast unpassierbar und auch nach fünf Kilometern habe ich noch keine menschliche Ansiedlung gefunden. Ich drehe um und versuche mein Glück in der anderen Richtung. Alle bewohnten Gebäude scheinen jedoch nur von schwerhörigen Uraltgriechen besiedelt zu sein. Ich finde niemanden, der mich versteht. Ein alter Mann, dem ich mein Griechischwörterbuch mit dem Satz "Können Sie mich bitte abschleppen?" unter die Nase halte, gibt mir zu verstehen, er sei fast blind. Endlich finde ich ein Gebäude, vor dem sogar ein Traktor geparkt ist und bei dem mir ein Grieche mittleren Alters begegnet. Aber auch er scheint mit dem Satz in dem Wörterbuch nicht zurecht zu kommen. Kann er gar nicht lesen? Ich versuche ihm in meinem englisch-deutsch-griechisch Kauderwelsch klar zu machen, daß ich ihn und seinen Traktor brauche und er redet auf griechisch auf mich ein. Schließlich glaube ich zu verstehen, ich solle schon vorfahren, er komme gleich. Ich bedanke mich und fahre zurück zum Ort des Geschehens, wo Annemarie, von oben bis unten mit Dreck beschmiert auf mich wartet. Sie hat mit dem Messer den ganzen Dreck unter dem Fahrzeugboden herausgepult und ist nun dabei, das Wasser aus der Pfütze abzuschöpfen.

Wir warten auf den ersehnten Traktor, aber nichts tut sich. Langsam wir es abend und wir stecken seit bald vier Stunden in dem Loch. Die Kinder spielen geduldig neben dem Weg und ich versuche Annemarie darauf vorzubereiten, daß wir wohl hier übernachten müssen. Davon will sie aber nichts wissen. Sie verlangt von mir eine Einweisung in die Bedienung des Motorrollers und macht sich nun selbst, dreckig, wie sie ist, auf den Weg um Hilfe zu holen.

Und tatsächlich. Einige Zeit später höre ich das unverkennbare Geräusch eines Traktors näher kommen. Eine junge Frau kommt mit einem mächtigen Traktor den Weg herunter gefahren, Annemarie auf dem Motorroller hinterher. Ein Pickup kommt auch noch dabei und plötzlich ist der Ort des Geschehens mit vielen hilfsbereiten Menschen bevölkert.

Der Traktor wird vor das Wohnmobil gespannt und ohne irgendwelche Kraftaufwendung zieht er unser schweres Mobil aus dem morastigen Loch.

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Als wir uns bedanken und ihnen etwas geben möchten, wehren sie ab und laden uns zu allem Überfluß noch zu sich auf einen Kaffee ein. Sogar duschen dürfen wir uns hier.

P012170.jpg (21026 Byte)So hat dieser Tag doch noch eine Wende zum Guten genommen. Fabian darf sogar auf diesen Traktor aufsteigen, das ist für ihn das Größte. Wir unterhalten uns noch lange mit Händen und Füßen und als die Sonne langsam untergeht, verabschieden wir uns mit vielmals Danke, denn es gilt, noch einen Schlafplatz zu finden. Zum Abschied bekommen wir noch eine Türe Eier in die Hand gedrückt. Heute durften wir mal so richtig die griechische Hilfsbereitschaft und Gastfreundschaft erleben!

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Wir kehren zurück zur roten Straße und übernachten auf dem Gelände einer Shell-Tankstelle, nachdem Annemarie den Tankwart gefragt hat, ob wir das dürfen.