Donnerstag, 2. Mai 2002

Die Sonne scheint mir wieder einmal durch die geöffnete Dachluke direkt ins Gesicht. Davon werde ich wach. Vielleicht auch von den beiden Quälgeistern, die sich über mich hinweg fast darum schlagen, wer jetzt beim Papa kuscheln darf und wer nicht. Da gibt's nur eins: raus aus dem Bett.

Unsere Bucht

Ich richte draußen Tisch und Stühle fürs Frühstück, und bald sitzen wir in der grellen Morgensonne. Für die Markise steht die Sonne noch zu tief. Nach dem Frühstück verabschiede ich mich für eine Zeitlang von der Familie, denn ich möchte mit dem Roller eine Exkursion in die Umgebung unternehmen. Für mich ist das gleichzeitig eine Reise in die Vergangenheit, denn früher, als man Jugoslawien noch auf dem Autoput durchqueren konnte, war ich jedes Jahr hier auf der Sithonia (so heißt der mittlere Finger der Halkidiki). Das ist aber schon sehr lange her.

Ich fahre durch Sárti, dass sich seit früher kaum verändert zu haben scheint. Lediglich etwas größer ist diese kleine, ehemalige Flüchtlingsortschaft geworden. Meine Tour führt weiter Richtung Sikiá, an dessen langem Strand es ebenfalls einen Campingplatz gibt, der zwar noch geschlossen, aber dessen Tor geöffnet ist.

Einige Kilometer weiter kommt der Abzweig zu meinem früheren Lieblingsstrand Kriaritsi. Hier wird inzwischen fleißig gebaut. Früher führte ein ca. 5 Kilometer langer, sehr schlechter Staubweg zu diesem Strand. Strom und Wasser gab es dort nicht. Inzwischen sieht es hier so aus, als stünden die umwälzenden Veränderungen unmittelbar bevor. Das ganze Areal von der Hauptstraße bis hinunter zum Meer ist mit einem Labyrinth von frisch asphaltierten Straßen überzogen. Scheinbar sinnlos sind führen betonierte Treppen ins Nichts. Überall sind Grundstücke abgesteckt. Im Laufe der nächsten Jahre wird es hier wohl vorbei sein mit der Einsamkeit. Wenn tatsächlich einmal alle Grundstücke bebaut sind, wird diese Gegend wohl aussehen, wie eine Trabantenstadt. Etwas Hoffnung besteht allerdings noch: in Griechenland sind schon viele ehrgeizige Projekte letztendlich im Sande verlaufen…

Diese Landschaft wird wohl in einigen Jahren eine Trabantenstadt sein.

Ich fahre bis an den Strand. Mariana führt immer noch die Taverne, in der ich mit Katja damals meine Abende verbrachte. Vasili, ihr Mann erkennt mich scheinbar nach all den Jahren immer noch. Die beiden laden mich zu einem Kaffee ein. Sie können zwar kein Englisch, aber mit Händen und Füßen, sowie meinen wenigen Brocken Griechisch erfahre ich, dass es hier seit 1999 Strom gibt, dass Mariana und Vasili jetzt einige Fremdenzimmer vermieten, dass die beiden Söhne inzwischen erwachsen sind und in Saloniki leben. Deutsche Touristen kommen seit dem Balkankrieg kaum noch an diesen Strand. Eigentlich jedoch hat sich an diesem Strand nicht viel geändert. Trotzdem, so vermute ich, werden die Tage der Idylle hier wohl gezählt sein.

Marianas und Vasilis kleine Idylle am Strand von Kriaritsi

Ich bin schon viel zu lange mit dem Roller unterwegs. Die Familie wartet bestimmt schon auf mich. Ich verabschiede mich von Mariana und Vasili und mache mich auf den Rückweg.

Am Wohnmobil erwartet man mich jedoch nicht. Die Kinder spielen am Strand und Annemarie hat die Zeit genutzt, um sich mit dem benachbarten älteren Ehepaaraus Böblingen, ausgiebig zu unterhalten.

Faulenzen am Strand

Ich beginne alles auszuräumen, um die Ursache für die Undichtigkeit zu ergründen. Inzwischen ist alles abgetrocknet und ich finde nichts. Wahrscheinlich wird es das Beste sein, einfach zu beobachten, ob es am Überlauf des Frischwassertankes liegt.

Am Nachmittag fahre ich mit Sarah nach Sárti, um eine Kleinigkeit zu essen. In einem Schnellimbiss essen wir Gyros Pitta. Später, als wir zurück sind, unternimmt Annemarie eine Rollertour nach Sárti.

Ausflug nach Sárti

Als die Dämmerung einsetzt, kommen wieder die Gunupis (griechisch für Stechmücken). Wir ziehen uns in unsere fahrbare Festung zurück, bis es dunkel ist. Die Kinder müssen ins Bett. Danach sitzen Annemarie und ich noch ein wenig zusammen und trinken ein Gläschen griechischen Weines.