Gegen 8:00 Uhr wandern Annemarie und ich mit Sissy etwas durch den Hafen. Es riecht hier übel und das Wasser sieht auch sehr schmutzig aus. Die Tatsache, dass dies kein Meer sondern nur ein relativ kleiner See ist, lässt nichts Gutes für die Wasserqualität ahnen. Bis zum Frühstück sitze ich am Ufer und füttere Enten und die hiesige Schwanfamilie. Auch ein paar mutige Spätzchen trauen sich bis auf einen halben Meter an mich heran, um ein paar Brotkrumen abzubekommen. Annemarie hat gestern extra für einen Zloty einen ganzen Laib Brot vom Vortag gekauft – nur für die Schwäne.
Unser Übernachtungsplatz
Um 9:15 Uhr setzen wir uns wieder in Bewegung. Unser nächstes Etappenziel heißt Pozezdrze. Bei N54 08.673 E21 51.321 befindet sich ein Parkplatz, von dem aus man Himmlers Schwarzschanze, bzw. den Rest davon zu Fuß erreichen kann. Fabian und ich machen uns, mit Taschenlampen bewaffnet, auf den Weg. Nach etwa 300 Meter Fußmarsch erreichen wir die Reste eines gesprengten Bunkers.
Gesprenger aber recht erhaltener Bunker
Der Sprengstoff hat den Bunker zwar stark beschädigt, konnte ihn aber nicht vollständig zerstören, sodass man noch in das mit Schutt gefüllte Innere vordringen kann. Von der Decke beginnen sich Tropfsteine zu bilden, sonst sieht man nicht mehr sehr viel.
Fabian im Inneren des gesprengten Bunkers
Allein das Wissen um den historischen Ort macht einen gewissen Reiz aus. Jedenfalls tut es gut, einmal an dem Ort gewesen zu sein, von dem man so viel im Geschichtsunterricht gehört hat. Die anderen Bunkeranlagen aus dem dritten Reich sind ja ebenfalls nicht weit entfernt. Auf dem Rückweg zum Wohnmobil versuche ich Fabian zu erklären, wer Heinrich Himmler war. Dabei stelle ich fest, dass es mit meinen Kenntnissen um die Hintergründe des zweiten Weltkriegs auch nicht mehr zum Besten bestellt ist.
Weiter geht die Fahrt. Helmut und Angelika schreiben, dass sich bei N54 11.205 E21 46.281 einer der schönsten Campingplätze der Masuren befinden soll (090 im Buch). Diesen Platz wollen wir uns anschauen. Enttäuscht fahren wir nach einer Besichtigungsrunde wieder vom Platz. Hier gefällt es uns überhaupt nicht. Es gibt keinen Strand, sondern nur einen klapprigen Steg ins Wasser welches nicht gerade einladend aussieht. Die Bereiche des Strandes, an denen man baden könnte, sind vollständig mit Holzbaracken zugebaut. Das Wohnmobil kann man in einem hinteren Bereich des Platzes abstellen. Dort gibt es jedoch keine Bademöglichkeit. Vor allem die vielen Holzbaracken verleihen dem Platz eine Atmosphäre wie die eines Militärlagers.
Der Campingplatz gefällt uns nicht
Eigentlich müssen wir ohnehin auf einen anderen Campingplatz. Seit einigen Tagen bekommen wir SMS-Mitteilungen von Sepp, den wir mit seiner Familie letztes Jahr im September auf Willy Fritz' 50er Feier kennen gelernt haben. Sie befinden sich auch gerade in Polen und möchten uns treffen. Heute werden sie nach Harsz auf den Campingplatz Sonata fahren. Per SMS hat Sepp uns gefragt, ob wir auch kommen möchten. Also machen wir uns auf den Weg nach Harsz. Die Ortschaft sieht sehr freundlich aus. Sie besteht nur aus wenigen Häusern. Ein Restaurant scheint es nicht zu geben. Lediglich eine kleine Bar befindet sich in unmittelbarer Nähe zum Wasser.
Wie fast in jeder Ortschaft in den Masuren, gibt es auch hier Störche
Wahrscheinlich werden die Störche demnächst in den Süden aufbrechen
Zum Campingplatz sind es vom Ort Harsz aus noch 3 Kilometer. Eine Hinweistafel weist den Weg. Dort angekommen sieht man zunächst nur ein großes Haus und ein Schild, welches den Weg zur Rezeption, in eben diesem Haus bei N54 08.835 E21 44.865 weist. Ein Mann, der deutsch spricht, begrüßt uns und zeigt uns auf dem Weg zum Büro die Waschräume, was mich sehr stutzig macht. Einen Campingplatz habe ich nämlich noch nicht gesehen. 15 Euro möchte er pro Nacht für uns haben. Die Kinder zahlen voll. Strom kostet 1,8 Euro extra. Wo denn der Campingplatz sei, möchte ich wissen. Einfach den Weg nach hinten, bekomme ich zur Antwort. Tatsächlich sind es 500 Meter zum eigentlichen Platz. Hinten gibt es keine Sanitärgebäude. Für diesen zweifelhaften Standard ist dies der teuerste Campingplatz, den wir bisher besucht haben. Selbst der vier Sterne-Platz in Poznan war nicht teurer. Nachdem wir uns den eigentlichen Platz angeschaut haben, beschließen wir, nicht zu bleiben. Sepp hin oder her – hier gefällt es uns einfach nicht.
Nachdem wir wieder beim Wohnmobil sind, haben wir bereits einen Kilometer Fußmarsch hinter uns. Wir fahren zurück nach Harsz und stellen das Wohnmobil auf dem Parkplatz des kleinen Kiosks am Ufer des Sees ab (N54 08.586 E21 47.266). Wir bestellen uns etwas zu trinken.
Wir warten auf die Ankunft von Sepp
Während wir so in der Vormittagssonne sitzen und vor uns hin schwitzen, denn heute ist es wieder sommerlich warm, fällt unser Blick auf eine Steganlage in unmittelbarer Nähe des Kiosks. Dort kann man bestimmt herrlich baden. Die Kinder und ich begeben uns auf den Steg, um uns abzukühlen.
Die Kinder uns ich gehen am Steg baden
Nach einem ausgiebigen Bad sitzen wir auf einer der Bänke am Seeufer und lassen uns von der Sonne trocknen. Eine Schwanfamilie kommt daher und lässt sich mit alten Brötchen füttern. Die Schwaneltern sind ziemlich aufdringlich und machen schnaubend auf sich aufmerksam. Sie kommen immer näher, während wir den Rückzug antreten müssen.
Vor diesem aufdringlichen Kerl muß man sich in Acht nehmen
Wir verbringen den ganzen Mittag hier. Während wir im Wasser waren, hat Annemarie im Wohnmobil eine Nudelsuppe gekocht, die uns jedoch nicht sonderlich begeistert (Anmerkung Annemarie: das liegt nur an den polnischen Suppennudeln). Leider gibt es hier im Ort kein Restaurant, wo wir etwas zu essen bekommen würden. Auf dem Gelände neben dem Kiosk ist einiges los. Mehrere Männer bearbeiten Baumstämme mit Motorsägen. Als später ein Stofftransparent an der Mauer des Kioskgebäudes aufgehängt wird, erfahren wir mit Hilfe des Polnisch-Wörterbuches, was hier veranstaltet wird. Zur Verabschiedung der Störche findet offenbar ein Skulptur-Festival statt. Es stehen jedenfalls bereits ein paar schöne Holzskulpturen auf dem Gelände herum.
Skulpturen schnitzen mit der Motorsäge
Für uns stellt sich nun die Frage, was wir jetzt unternehmen. Auf eine SMS an Sepp, in welcher wir ihm mitteilten, dass wir in Harsz auf ihn warten, kam bis jetzt keine Antwort. Wir beschließen, dem Platz Sonata eine zweite Chance zu geben und wenigstens bis morgen dort zu bleiben. Als wir den Platz wieder erreicht haben, entsorgen wir zuerst das Abwasser und die Toilette. Danach fahren wir nach vorne, auf den eigentlichen Campingplatz (N54 08.659 E21 45.229). Als ich endlich einen einigermaßen ebenen Stellplatz für das Wohnmobil in der Nähe des Ufers gefunden habe, werde ich vom Platzwart angewiesen, mir einen Platz weiter hinten zu suchen. Das Wohnmobil sei zu groß und versperre den Familien weiter hinten die Sicht aufs Wasser. Ich versuche vergeblich, einen anderen ebenen Platz zu finden, aber das Gelände ist zu wellig. Am Strand steht ein Schild, dass schwimmen hier verboten sei. Ein weiteres Schild in deutscher Sprache schränkt das Badeverbot dahingehend ein, dass baden hier nur auf eigene Gefahr möglich sei. Die Tatsache, dass Duschen im einen halben Kilometer entfernten Duschhaus vier Zloty extra kostet und das augenscheinlich schmutzige Wasser des Sees bringen uns letztendlich doch dazu, den Platz wieder zu verlassen. Es tut uns Leid, aber der Campingplatz gefällt uns überhaupt nicht.
Wir verlassen den Platz nach Westen und überqueren 3 Kilometer später bei N54 08.191 E21 42.575 die Brücke, welche die Engstelle zwischen Jezioro Kirsajty und Jezioro Dargin überquert. Bei N54 07.863 E21 40.984 kommen wir am verfallenen Anwesen der Familie Lehndorff vorbei. Der letzte Hausherr, Heinrich Graf von Lehndorff wurde wegen des missglückten Hitlerattentats 1944 hingerichtet. Wir halten nicht an, sondern fahren weiter. Was wir jetzt suchen, ist ein Badeplatz.
Allerdings führt unsere Route am Hauptquartier der deutschen Wehrmacht vorbei (N54 11.122 E21 39.050, Nummer 93 im Buch). Wir bleiben stehen, lösen für 20 Zloty eine Eintrittskarte für die Anlage, und machen uns, mit Taschenlampen bewaffnet, auf eine Besichtigungstour durch die historische Stätte. Diese Bunker wurden im Gegensatz zur Schwarzschanze nicht gesprengt. Allerdings gibt es außer gigantischen, leeren Betonklötzen, mit sehr dicken Wänden, nicht viel zu sehen.
Besichtigung des Hauptquartiers der Wehrmacht aus dem 2. Weltkrieg
Nach fünf der insgesamt 30 Bunker haben wir die Nase voll und kehren zum Wohnmobil zurück. Annemarie erwirbt noch ein Geschichtsbuch, in welchem die Geschichte der Bunkeranlagen beschrieben wird.
Wir fahren weiter Richtung Kal, wo Helmut und Angelika einen Badestrand (091 im Buch) ausfindig gemacht haben. Wir wollen noch einmal baden, bevor das Gewitter, welches sich am Horizont zusammen braut, über uns gezogen ist. Am beschriebenen Platz stehen bereits zwei deutsche Wohnmobile. Alle weiteren Parkmöglichkeiten sind mit PKWs zugestellt. Uns bleibt nur ein schiefer Abstellplatz am Straßenrand. Ruck zuck sind wir umgezogen und im Wasser. Nach einem ausgiebigen Bad treten wir die Weiterfahrt an. Aus der erhofften Übernachtung an diesem Platz wird es nichts. Das Schulz-Syndrom trifft die beschränkten Stellmöglichkeiten in Polen offenbar viel schneller, als dies in Griechenland der Fall war.
Es ist noch nicht sehr spät und wir haben Hunger. Die Nudelsuppe heute Mittag war nicht genug für eine Horde hungriger Entdecker. Als nächstes Etappenziel habe ich die Stadt Ketrzyn in mein GPS-Gerät eingegeben. Der Weg dorthin führt über die 650. Bei N54 12.792 E21 35.263 überqueren wir die Brücke über einen Kanal und entdecken linker Hand neben der Straße ein Bauwerk aus dem zweiten Weltkrieg, eine der Masursky-Schleusen. Auf einer der Infotafeln beim Hauptquartier der deutschen Wehrmacht haben wir erst heute Mittag davon gelesen, dass die Masursky-Schleusen die großen Seen der Masuren mit der Ostsee verbinden sollten, um den Nachschub für die Wehrmacht auf dem Wasserweg zu ermöglichen. Das Projekt wurde jedoch nie zu Ende gebracht.
Wenige Meter nach der Kanalbrücke finden wir ein gemütlich aussehendes Restaurant (N54 12.787 E21 35.078). Hier bleiben wir stehen. Nachdem wir uns vergewissert haben, dass wir auch auf dem Parkplatz übernachten dürfen, bestellen wir ein ausgiebiges Abendessen und ein Bierchen für uns Eltern. Während wir auf das Essen warten, gehe ich die paar Schritte zurück zum Kanal, um ein paar Fotos zu machen.
Schleusenanlage eines ehrgeizigen, aber nie fertig gestellten Kanalprojektes aus dem 2. Weltkrieg
Als das Essen serviert wird, wird unsere Vorfreude auf ein gemütliches Abendessen jäh getrübt: Das Essen wird auf Plaskiktellern mit Plasikbesteck serviert. Die Kinder haben Cordon Bleu gewählt, welches sogar noch einigermaßen gut aussieht. Unser Gulasch Stroganov, serviert in einem Plastik-Wegwerfnapf, ist jedoch nichts besonderes. Dazu wird ein zweiter Teller mit ein paar Pommes, ein paar rohen Tomatenstücken und etwas Krautsalat aus dem Glas gereicht. Wirklich schade. Das Restaurant sah sehr einladend aus. Nach dem Essen ziehen wir uns ins Wohnmobil zurück.
Das Restaurant und unser heutiger Übernachtungsplatz
Am Abend kommt die, den ganzen Tag erwartete SMS von Sepp ein: sie sind auf dem Campingplatz Sonata und fragen, wo wir sind. Annemarie schreibt eine Antwort-SMS: wir sind auf dem Weg nach Ketrzyn, treffen uns vielleicht am Mittelland-Kanal.