Wir erreichen Venedig um 1 Uhr morgens. Die Ausschilderung zum Fährhafen ist vorbildlich. Sogar die Fahrspuren sind beschriftet, so daß man sich kaum verfahren kann. Wir ordnen uns dort ein, wo es zum Ferry Boat Parking geht. Noch haben wir ein paar Stunden Nacht vor uns. Wir schätzen, daß die Verladung um 7 Uhr beginnt.
Als wir den Parkplatz erreichen, sehen wir auch bereits einige Wohnmobile. An der Einfahrt zum Platz muß man ein Ticket ziehen. Als wir die Preisliste lesen, verschlägt es uns den Atem: die verlangen hier tatsächlich für 12 Stunden parken 30.000 Lire! So wollen wir uns eigentlich nicht abzocken lassen und drehen um.
Nach einer kurzen Hafenrundfahrt, bei der wir feststellen, daß es keine andere Übernachtungsmöglichkeit weit und breit gibt, beschließen wir, in den sauren Apfel zu beißen und doch auf dem Abzockplatz zu nächtigen. Den Wecker stellen wir auf 6:30 Uhr.
Falls wir wieder einmal nachts ankommen, werden wir auf dem letzten Autobahnrastplatz 10km vor Venedig schlafen und den Hafen erst an nächsten Tag aufsuchen.
Als der Wecker losgeht, stehe ich auf und schaue mir die Gegend um den Parkplatz an. Unser Standplatz liegt direkt am Wasser. Es scheint sich dabei um eine flache Bucht zu handeln.
Die Skyline des gegenüberliegenden Ufers besteht ausschließlich aus Industrie. Einige der Wohnmobile, die wir heute nacht hier stehen sahen, sind bereits wieder weg. So beschließen wir, erst die Anlegestelle unserer Fähre zu suchen und dann Frühstück zu machen. Annemarie und die Kinder bleiben im Bett, während ich langsam Richtung Fährhafen der Minoan Lines tuckere.
Dort angekommen, sind wir das dritte Wohnmobil. Es stehen noch einige Pkws und alte Lastwagen in der Warteschlange. Ein Platzanweiser deutet auf das Ende der Schlange – hinten anstellen. Jetzt gibt es Frühstück. Später am Vormittag checke ich im Fährbüro ein und lese am Schalter, daß die Fähre zwei Stunden später, also erst um 14 Uhr ablegen wird. Wider Erwarten liegt das Schiff auch noch nicht im Hafen.
Jetzt heißt es warten und die Kinder beschäftigen. Ich unternehme mit Sarah mehrere ausgedehnte Spaziergänge durch das Hafengelände und lasse mir geduldig alle Lastwagen und Schiffe zeigen: "Da Papa, guck' mal – ein Schiff!".
Um 10 Uhr läuft die Erotokritos in den Hafen ein. Ich haste mit Kamera und Stativ an den Kai, um das Anlegemanöver aufzunehmen. Ein Uniformierter schickt mich jedoch wieder weg, man dürfe hier nicht filmen. Dafür fehlt mir jegliches Verständnis. Wahrscheinlich möchte man verhindern, daß im Falle eines Unglücks (siehe Untergang der Estonia) hinterher ein Amateurvideo auftaucht, welches als Beweismittel gegen die Reederei verwendet werden könnte. Allerdings haben die hier die Rechnung ohne die moderne Videotechnik gemacht: ich bringe die große Kamera Sony VX1000 zurück zum Womo, hole mir dafür die kleine Sony PC7 und pirsche mich zurück zur Anlegestelle. So komme ich doch zu meinen Aufnahmen.
Schließlich ist es so weit: Die Beladung der Fähre beginnt. Da unser Zielhafen Patras ist und die Fahrzeuge für Korfu und Igoumenitsa zuerst wieder von Bord müssen, dürfen wir als eines der ersten Fahrzeuge auf das Schiff. Als wir auf das Campingdeck kommen, ist es, bis auf ein paar Lastwagen, noch völlig leer. Der Einweiser lotst uns in das dunkelste Eck zwischen einen alten Lastwagen mit Betonpumpe und eine Innenwand. Doch er hat die Rechnung ohne Annemarie gemacht. Die springt aus dem Auto und fängt mit dem Griechen zu diskutieren an, wir hätten kleine Kinder, sie hätte Platzangst und sie möchte an die Außenwand, von wo aus man das Meer sehen könne. Der Grieche weist mich unbeirrt weiter in das dunkle Loch ein, obwohl alle Stellplätze am Rand, mit den Außenöffnungen noch frei sind. Hinter uns werden Pkws eingewiesen.
Annemarie läßt nicht locker. Sie diskutiert abwechselnd mit den nachfolgenden Autofahrern und mit den Einweisern, während ich hinter dem Lenkrad sitze und den Anweisungen des Griechen folge. Auf dem zugewiesenen Platz geht es sehr eng zu. Ich komme nur wenige Zentimeter neben der Betonpumpe zum Stehen. Annemarie ruft mir zu, ich solle mich bereit halten, sie würde das schon hin bekommen. Ich versuche ihr zuzurufen, daß das doch sinnlos sei, schließlich stehen wir bereits und hinter uns befinden sich auch schon Fahrzeuge. Plötzlich taucht jedoch der Einweiser wieder auf und bedeutet mir, den Motor anzulassen. Er weist mich wieder aus und wir bekommen doch einen Platz an der Außenwand. Annemarie hat es geschafft. Als ich sie später frage, wie sie das gemacht hat, meint sie nur: nicht locker gelassen. Sie wäre auch zur Rezeption oder zum Kapitän gegangen. Es sei nicht einzusehen, daß man ein Wohnmobil auf den dunkelsten und engsten Platz stellt, während dahinter jede Menge Pkws an die Außenwand gestellt werden. Die PKW-Insassen wohnen schließlich nicht eineinhalb Tage in ihrem Auto.
Unser neuer Stellplatz ist super. Jetzt können wir vom Womo aus aufs Meer blicken, als ob wir eine Kabine mit Meerblick hätten. Wenn man die Fenster öffnet, dann weht ein kühler Wind durchs Auto. Es ist lange nicht so heiß, wie bei der letzten Überfahrt im Vorjahr. Noch eines ist besser: Die Erotokritos vibriert nicht so stark, wie die Aretousa, mit der wir letztes Jahr unterwegs waren. Wahrscheinlich liegt das daran, daß die Aretousa eine höhere Reisegeschwindigkeit erreicht.
Die Erotokritos legt um 14 Uhr ab. Vom Fährhafen bis zum offenen Meer muß die Fähre die Stadt durchqueren. Ich habe alle Hände voll zu tun, schöne Videoaufnahmen zu machen. Es ist phantastisch: von der Fähre aus erlebt man Venedig fast aus der Vogelperspektive.
Nachdem wir es uns im Wohnmobil gemütlich gemacht haben, besichtigen wir gemeinsam das Schiff und finden auch einen 'Kindergarten' mit Rutsche. Diese hat es besonders Sarah angetan.
Es wird heute nicht sehr spät. Annemarie geht mit den Kindern ins Bett, während ich mit meinem Reisetagebuch beginne. Allerdings fallen auch mir bald die Augen zu …