Annemarie weckt mich um 1:30 Uhr: das Schiff würde kommen. Aber auch ohne von ihr geweckt zu werden, hätte ich nicht verschlafen, denn der Riesenpott, der neben uns anlegt, macht einen Heidenlärm. Ich schaue vom Alkovenfenster eine Weile dem Treiben zu, dann schäle ich mich aus dem Bett.
Früher habe ich noch aufmerksam alles verfolgt und war immer mit Fotoapparat und Videokamera dabei, wenn so ein Schiff an- oder ablegt. Mittlerweile bin ich abgebrühter. Ich muß nicht mehr unbedingt an der Reling stehen, wenn das Schiff aus dem Hafen ausläuft. Mir ist die wohnliche Atmosphäre des Wohnmobils lieber, als mich auf dem Oberdeck herumzutreiben.
Viele der Wartenden hier am Hafen wußten gar nichts von der Verspätung der Superferry Hellas. Sie stehen seit Stunden hier und warten. Als wir endlich auf das Schiff fahren können, ist es bereits 3 Uhr. Die ordentlichen Warteschlangen lösen sich in ein chaotisches Durcheinander auf, weil jeder der Erste auf dem Campingdeck sein will. Ein Grieche mit einem Wohnwagengespann trägt zur Verfestigung meines Gesamteindruckes von den Griechen bei, denn obwohl er, wie alle anderen, in die Warteschlange eingereiht stehen muß, glaubt er, es würde schneller voran gehen, wenn er aufgeregt hupt.
Nachdem wir auf dem Campingdeck stehen, legen wir uns gleich schlafen. Unser Platz ist gar nicht so schlecht, immerhin können wir vom Heckfenster aus durch mehrere Seitenluken das Meer sehen und stehen weit vom Müllcontainer entfernt. Das Ablegemanöver interessiert uns nicht mehr. Wir sind einfach nur müde und unsere Kleinen haben diese Nacht durchgeschlafen und werden also morgen früh zur gewohnten Zeit auf der Matte stehen.
Wir schlafen lange und fest. Als ich aufwache, sind Annemarie und die Kinder bereits wach und wuseln im Kinderzimmer herum. Nach einem ausgiebigen Frühstück, während dessen die Fähre in Korfu an- und ablegt, gehe ich mit den Kindern nach draußen, um uns umzusehen.
Wie erwartet, ist das Campingdeck fast leer. Im Augenblick ist keine Rückreisezeit. Die ersten deutschen Bundesländer haben seit zwei Wochen Sommerferien, da fährt noch keiner zurück. Pfingsten ist bereits sechs Wochen her, und wer hat schon sechs Wochen Urlaub? Ich hole den Kindern die Bobbycars aus der Topbox. Auf der freien Fläche zwischen den paar Wohnmobilen und -wagen können sie schön herumflitzen.
Später schnappt sich Annemarie die beiden und geht mit ihnen nach oben, damit sich sich in den Aufenthaltsräumen richtig austoben können. Ich nutze die ruhige Zeit, um an meinem Reisebericht zu arbeiten.
Ich lese alles, was ich im Laufe des Urlaubs geschrieben habe, noch mal Korrektur und verbessere Stellenweise die Grammatik und Rechtschreibung oder füge Anmerkungen ein. Dabei fällt mir auf, daß doch sehr viele Erlebnisse in diesem Bericht stecken. Wenn ich die Seiten lese, erlebe ich in Gedanken die betreffenden Situationen noch einmal. Es ist eine Menge Text zusammen gekommen und ich schaffe an diesem Tag nicht mal die Hälfte des Reiseberichtes.
Den ganzen Tag bringe ich auf dem Campingdeck zu. Am späten Nachmittag entwickelt sich eine Unterhaltung mit einer Günzburger Familie, die mit einem Wohnwagengespann unterwegs ist und deren Sohn zwei Monate älter ist als Sarah. Die Eltern berichten, daß sie Stop-Over in Korfu gemacht hätten und daß sie eine Reise dort hin nicht empfehlen würden. Es hätte ihnen nicht besonders gefallen. Während ihrer gesamten Reise, sie waren stets auf Campingplätzen, hätten sie auch fast keine Kinder getroffen, die altersmäßig als Spielkameraden für ihren kleinen Sohn Dominik in Frage gekommen wären.
Da kommen unsere beiden am heutigen Nachmittag als Spielkameraden gerade recht. Dominik spielt mit Sarah und Fabian im Wohnwagen und bald sitzen wir Erwachsenen bei Bier und Wein vor dem Wohnwagen und unterhalten uns angeregt. So vergeht der Abend sehr schnell. Erst als die Kinder quengelig werden, merken wir, wie spät es bereits ist. Die Kinder werden schnell gewaschen und bekommen etwas zu essen, dann geht es ins Bett. Auch wir Erwachsenen duschen noch mal ausgiebig, und bald darauf ist für uns ebenfalls Schlafenszeit.
Im Laufe des Nachmittags teilte eine Lautsprecherdurchsage uns Reisenden mit, daß die dreieinhalbstündige Verspätung vollständig aufgeholt sei und daß wir planmäßig in Venedig ankommmen würden.