Ich werde sehr früh wach. Da ich keine Uhr trage, weiß ich aber nicht, wie spät es ist. Die Sonne scheint jedenfalls schräg ins Campingdeck und deshalb stehe ich auf. Sind wir bereits kurz vor Venedig?
Ich erkunde die Lage. Das Meer liegt da, wie ein schlafender See. Es ist absolut kein Wellengang und mir scheint fast schade, daß diese perfekte Stille durch unserer Schiff so rigoros zerstört wird.
Von Venedig ist jedenfalls noch nichts zu sehen und so kehre ich ins Wohnmobil zurück, wo die Kinder gerade wach geworden sind. Annemarie schielt schlaftrunken aus dem Alkoven und als ich sie frage, wie spät es sei, murmelt sie: 6:30 Uhr. Um diese Zeit können wir ja noch gar nicht da sein und so setze ich mich wieder ans Notebook um meine gestern unterbrochene Arbeit des Korrekturlesens wieder aufzunehmen.
Etwa um 8:30 Uhr zieht draußen vor der Außenluke plötzlich der Strand von Venedig vorbei. Sarah, Fabian und Dominik, der dreieinhalbjährige Junge der Günzburger Familie toben gerade auf dem fast leeren Campingdeck herum. Wir haben überhaupt nicht gemerkt, daß das Schiff sein Tempo reduziert hat.
Stefan und Manu, das sind die Eltern von Dominik, stehen mit uns an der Außenluke und gemeinsam beobachten wir, wie Venedig an uns vorüber zieht.
Als wir in den Fährhafen einbiegen, legt die Aretousa auch gerade an. Diese Fähre der Minoan Lines war vor uns in Patras abgefahren. Daran, daß unsere Fähre knapp vier Stunden Verspätung aufholen konnte, sieht man, welche Leistungsreserven ein derartiges Schiff hat.
Nach dem Anlegen müssen alle zu der obligatorische Witzveranstaltung der italienischen Polizei. Für jede Person, die vom Schiff gelangen möchte, muß an der Rezeption ein weißer Papierstreifen abgestempelt werden. Wir kennen den Joke bereits aus den Vorjahren. Kein Mensch wollte diese Papierfetzen mehr sehen. Deshalb ignorieren wir die Aufforderung zunächst. Später jedoch, als wir noch Zeit haben und darauf warten, daß die Fahrzeuge das Deck verlassen können, geht Annemarie doch zur Rezeption. Es sind heute so wenig Personen an Bord, daß es durchaus sein kann, daß jemand die gestempelten Papierfetzen sehen will. Wie gewohnt, geht die italienische Polizei bei der Kontrolle so dilettantisch vor, daß man ohne Probleme jede Menge illegaler Personen von Bord schmuggeln könnte. Die Fahrzeuge, deren Besatzung aufgrund ihrer Erfahrungen aus den letzen Jahren die Farce ebenfalls ignoriert haben, stehen im Hafen, während jeweils eine Person zurück zur Rezeption gehen muß, um seine gestempelten Papierfetzen abzuholen. Diejenigen jedoch, die bereits von Bord sind, haben ja ihre Fetzen noch und könnten sie problemlos an die draußen Wartenden weitergeben. Wir haben vier Papierfetzen, aber obwohl Mr. Kontrolleur nur zwei Personen sieht, winkt er uns durch. Was soll's – wenn es die italienische Bürokratie in ihrer unendlichen Wichtigkeit unterstützt…
Schließlich ist es so weit, wir verlassen das Schiff und den Hafen. Auf dem Weg zur Autobahn überlegen wir uns, auf welchem Weg wir nach Hause fahren. Es ist 10 Uhr morgens, eigentlich haben wir noch das ganze Wochenende vor uns. Auf der Autobahn haben wir unsere neuen Günzburger Freunde mit ihrem Wohnwagengespann längst abgehängt, da kommt uns die Idee, am Gardasee noch einmal ins Wasser zu springen. Außerdem ist es, bis wir dort sind, Mittag, und die Kinder werden wieder Hunger haben. Wir lassen uns zurück fallen, bis das Wohnwagengespann uns wieder eingeholt hat. Annemarie hält einen Zettel an das hintere Fenster, auf den sie in großen Buchstaben 'Gardasee baden, auch Lust?' geschrieben hat. Ein erhobener Daumen von Stefan ist die Antwort. Ich gleiche unser Tempo seinem an und gemeinsam fahren wir bis zur letzten Raststätte vor dem Gardasee. Hier klären wir die Einzelheiten und gemeinsam geht die Fahrt weiter. Erst kaufen wir in einem Supermarkt Lebensmittel ein und dann fahren wir zum See, wo Stefan auch schnell einen geeigneten Busparkplatz mit benachbartem Strandbad entdeckt.
Zum Mittagessen gibt es Gnocci mit Tomatensoße. Wir essen im Schatten unserer Markise, die wir frecher Weise auf dem Parkplatz ausgefahren haben. Nach dem Essen geht es ins Strandbad. Dort können wir Eltern und die Kinder noch mal nach Herzenslust im Wasser planschen, uns unterhalten und mit den Kindern balgen. Ich empfinde es als angenehme Abwechslung, daß das Wasser nicht salzig ist.
Gegen 17 Uhr fahren wir weiter. Unsere Günzburger Freunde haben sich bereits eine halbe Stunde zuvor verabschiedet. Erst haben wir vor, am Lago d'Idro vorbei zu fahren, aber als wir diesen erreichen, stellen wir fest, daß die Strecke zu einer unendlichen Kurverei ausartet und wir suchen uns die kürzeste Strecke zurück zur Autobahn Richtung Bologna.
Hinter Como halten wir an unserer Stammraststätte, der ersten in der Schweiz und genießen ein delikates Abendessen: Honigmelone mit echtem Parmaschinken. Den haben wir heute unterwegs frisch eingekauft. Hallo Manu, Du hattest recht: frisch geschnitten ist er doch am Besten. Wir haben unterwegs noch mal angehalten und echten Parmaschinken besorgt.
Danach gehen wir schlafen. Es ist zwar etwas lauter hier, aber wir sind todmüde.