Heute Morgen springen wir nach dem Frühstück nochmals ins Meer. Danach räume ich außen und Annemarie innen zusammen. Zuletzt duschen wir alle, ver- und entsorgen unser Wohnmobil und brechen auf. Hinter Gioia del Tirreno gibt es eine Quelle, wo wir unsere Frischwasserkanister neu befüllen.
Wir fahren weiter, kaufen unterwegs in einem Supermarkt ein und essen irgendwo an einer Strandpromenade zu Mittag. Glücklicherweise gibt es direkt daneben einen Spielplatz, wo unsere Kleinen sich etwas austoben können.
Die Küste von Scilla bis Reggio di Calabria ist nur schwer zugänglich oder Steilküste. Da auch die Straße sehr kurvenreich dem Küstenverlauf folgt, weichen wir zwischendurch zweimal auf die nahegelegene Autobahn aus. Kurz vor Reggio di Calabria können wir einen Blick aus Sizilien werfen, welches wir heute rechts liegen lassen und weiterfahren.
Wie ich schon 2001 festgestellt habe, überragt der riesige Strommast alles andere am nördlichen Zipfel von Sizilien. Auf dem Festland, etwas oberhalb der Autobahn steht das Gegenstück dazu. Es sind jedoch keine Stromleitungen gespannt. Mich würde interessieren, was es mit diesen Strommasten auf sich hat. Ab Reggio di Calabria regnet es in Strömen. In Campoli [10] finden wir einen Bahnübergang, der uns zum Meer fahren lässt, denn die Bahnlinie verläuft auch hier direkt an der Küste entlang und die meisten Unterführungen sind für uns einfach zu niedrig.
Übrigens haben wir seit Reggio di Calabria eine neue Straße, die uns bis Tarent (Taranto) begleiten wird. Die große Straße, über welche der gesamte Verkehr zwischen den beiden Großstätten fließt heisst SS106 oder Jonica, da sie an der Ionischen Küste entlang läuft.
Wir haben das Wohnmobil gerade abgestellt, als es auch schon zu regnen aufhört und die Sonne durchbricht. Ich hole den Roller von der Rampe und erkunde die nächsten Kilometer. Allerdings finde ich keinen schöneren Platz, als den, auf dem wir gerade stehen. Ein anderes Problem tut sich auf: es sieht zunächst so aus, als gäbe es für uns keine Ausfahrt mehr. Der Bahnübergang war eine Einbahnstrasse und die Ausfahrt führt unter einer Brücke mit einer Durchfahrtshöhe von 1,90 Meter hindurch. Es gibt eine zweite Ausfahrt, aber die erreicht man nur durch eine Wohnsiedlung und die Straße ist für uns zu eng.
Als ich zum Wohnmobil zurück kehre, sind die Kinder bereits im Meer. Ich ziehe meine Klamotten aus und springe zu ihnen ins Wasser. Annemarie erkundet derweil zu Fuß eine weitere Möglichkeit, auf die Hauptstrasse zurück zu gelangen.
Als Annemarie zurück kommt, hat sie tatsächlich einen Weg gefunden. Voraussetzung ist jedoch, dass es nicht regnet, denn die Ausfahrt führt durch ein ausgetrocknetes Flussbett.
Heute Abend geht für uns die Sonne hinter Sizilien unter
Zum Abendessen gibt es Pizza. Annemarie hat, wie es ihre Art ist, unterwegs einen Pizzabäcker aufgerissen und vereinbart, dass sie um 20:30Uhr vorbei kommt, um Pizza zu holen. Ich wähle mich am Abend mit dem Handy in unser Werksnetz ein und schaue nach, ob neue Mails für mich eingegangen sind. Ich schicke auch eine Mail an einen Kollegen. Ich warte noch auf die Antwort auf die Mails, die ich letzte Woche geschickt hatte.
Während die Kinder nach dem Essen ihre Gute-Nacht-Geschichte vorgelesen bekommen, vertrete ich mir draußen noch etwas die Beine. Die Nacht ist so lau, dass ich noch etwas spazieren gehen möchte. Ich laufe hinauf zu dem Bahnübergang, durch den wir zum Strand hinunter gelangt sind. Auf der Hauptstasse rollt gerade ein PKW mit Warnblinkanlage aus. Er macht merkwürdige Rollgeräusche. Als der Wagen steht, steigt eine Frau aus und läuft um ihr Auto herum. Erst jetzt fällt mir auf, dass nicht weit von hier noch mehrere Autos Warnblinklicht eingeschaltet haben. Ich gehe in Richtung der Blinklichter und sehen bereits beim Näher kommen, was hier passiert ist: es liegt ein Motorrad auf der Strasse, besser gesagt, auf einer der Brücken über ein ausgetrocknetes Flussbett, das Annemarie vorhin als potentielle Ausfahrt aus unserem momentanen Standort ausgekundschaftet hat. Eine Menge Menschen befinden sich auf der Brücke und schauen aufgeregt links und rechts der Brücke über das Geländer. Alle reden aufgeregt durcheinander und gestikulieren wild mit den Händen. Ich kann mir daraus meinen eigenen Reim machen. Das Motorrad kam mit überhöhter Geschwindigkeit, was hier in Calabrien völlig normal ist, die Strasse entlang, kollidierte aus irgendwelchen Gründen mit einem entgegenkommenden PKW und der Fahrer der Motorrads wurde durch den Aufprall davon katapultiert. Wohin, weiß im Augenblick offensichtlich niemand. Ein PKW fährt hinunter ins Flussbett, um mit den Scheinwerfern auszuleuchten. Auf der anderen Seite der Brücke bahnen sich ein paar Männer einen Weg durchs Unterholz. Es ist gespenstisch. Irgendwo dort unten liegt wahrscheinlich ein Haufen Fleisch und Knochen, was einmal ein Mensch war. Wenn man weiß, wie die Calabresen fahren, besonders die Motorradfahrer, dann braucht man nicht mehr viel Phantasie, um sich auszumalen, wie einer aussieht, der nur Jeans und T-Shirt trug und ohne Helm einen derartigen Unfall hat. Ich will es jedenfalls nicht wissen und trete den Rückweg zum Wohnmobil an. Erst fünf Minuten später rücken mehrere Krankenwagen an. Wir hören in dieser Nacht keinen Krankenwagen mehr mit Sirene wegfahren. Was das bedeutet, kann man sich leicht selbst erklären…