Bereits um 8:00 Uhr scheinen alle wach zu sein. Aber keiner macht Anstalten, aufzustehen. Sarah und Annemarie schmökern noch in ihren Büchern. Fabian spielt – was sonst? – mit dem Nintendo. Der Himmel ist hellgrau, es lassen sich jedoch blaue Stellen ausmachen. Gegen 9:00 Uhr reißt der Hochnebel auf und die Sonne kommt zum Vorschein. Irgend jemand hat Annemarie gestern erzählt, dass es ab heute für drei Wochen sehr heiß werden soll. Was das Wetter am heutigen Tag betrifft, ist das schon die zweite deckungsgleiche Aussage, denn auch unsere ehemaligen Wohnmobilnachbarn – sie sind gestern abgereist – meinten, dass das Wetter ab heute schön werden soll. Sie müssen es wissen, denn sie verstehen, als in Deutschland lebende Polen, den hiesigen Wetterbericht.
Bereits um 9:30 brennt die Sonne so stark vom Himmel, dass die Kinder zum Steg stürmen, um sich ins Wasser zu stürzen. Während Annemarie Kaffee kocht, paddle ich mit den Kindern noch eine kleine Runde im Ruderboot. Nach dem Frühstück fahren wir wieder hinaus. Diesmal, um vom Boot aus ins Wasser zu springen. Heute werden wir auf jeden Fall noch hier bleiben und das schöne Wetter genießen. Am Abend soll auf dem Platz eine Veranstaltung für die Touristen statt finden. Annemarie meldet uns zum Abendessen an.
Ich habe einen Frosch am Ufer des Tümpels entdeckt und fotografiere ihn. Sarah fängt den Frosch und lässt ihn auf der Wiese vor unserem Wohnmobil frei.
Der Frosch stellt sich daraufhin tot. Sarah ist jetzt in Sorge, dass jemand den Frosch zertreten könnte und richtet ein "Froschschutzgebiet" ein.
Fabian und ich nehmen die Kajaks – jeder eines, um etwas auf dem See herum zu paddeln. Dass er selbst ein Boot fahren darf, findet Fabian besonders toll, auch wenn es ihn am Ende doch ziemlich Kraft kostet, wieder zum heimatlichen Steg zurück zu paddeln.
Weitere Aktivitäten werden heute nicht stattfinden. Es ist sozusagen Ruhetag. Nur einmal muss ich noch nach Mragowo, um den Reisebericht hoch zu laden. Aber ich muss ja nicht mehr nach einem Internetzugang suchen. In dieser Stadt kenne ich mich bereits recht gut aus.
Was ich jedoch noch nicht kenne, sind die Öffnungszeiten. Als ich mit Sarah an der Bibliothek eintreffe, steht ein Schild vor dem Treppenaufgang zum ersten Stock. In der Touristeninformation neben dem Eingang erfahre ich, dass die Bibliothek geschlossen ist. Schade! Egal: Sarah und ich genehmigen uns noch ein Eis, denn das war der wirkliche Grund, dass sie mich in die Stadt begleitet hat. Warum die Bibliothek geschlossen hat, erfahre ich erst später: in Polen ist heute Feiertag. Das erklärt auch, warum heute, mitten unter der Woche, so viele Polen am Strand sind.
Auf dem Platz genießen wir noch einige Zeit die Sonne und die Ruhe. Letztere nimmt jedoch ein jähes Ende, als eine große Anzahl Wohnmobile auf dem Platz einfällt. Erinnerungen an die Perestroika-Heuschreckenschwärme, wie wir sie mit den geführten Touren in der Türkei erlebt haben, werden in uns wach. Die eintreffenden Wohnmobile sind auch allesamt mit einem Aufkleber „Perestroika-Tours“ verziert.
Immer wenn Perestroika Tours auftauchen, wird es für uns höchste Zeit, zu flüchten.
Die Perestroika-Gruppe kommt gerade von einer Russland-Rundreise zurück. In einem ersten Schreck beginne ich unser Wohnmobil für die morgige Abreise vorzubereiten: Fahrräder in die Garage räumen und Roller aufladen. Mit der ruhigen Idylle ist es hier jedenfalls vorbei. Heute Abend werden wir noch dem gemeinsamen Heimatabend beiwohnen, zu dem Annemarie uns so voreilig angemeldet hat, und morgen früh reisen wir ab. In weiser Voraussicht hat Annemarie bereits einen Tisch für den Abend reserviert.
Die Veranstaltung am Abend ist ganz nett. Es gibt eine Kartoffelsuppe, danach für jeden ein Stück Fleisch vom Grill und fette Würste, die aber eigentlich niemand tatsächlich isst. Währenddessen spielt eine Trachtenkapelle auf und der Alleinunterhalter um die Wette. Eine Kutsche fährt den ganzen Abend für die Gäste eine Runde durch Ruskia Wies und so kommen wir auch in den Genuß einer Kutschfahrt.
Die Trachtengruppe
Der Alleinunterhalter spielt hier jeden Abend, bevorzugt Stücke von Dire Straits oder Pink Floyd, also nicht ganz dem Geschmack der älteren Generation entsprechend
Wir haben einen Platz in der Mitte
Die Kutschfahrt ist besonders für die Kinder etwas Tolles
Der Preis für das Ganze ist aber auch nicht von schlechten Eltern: nachdem ich bezahlt habe, werde ich das Gefühl, wie ein dummer Touri übers Ohr gehauen worden zu sein, nicht mehr los.
Fabian und sein Papa
Als wir zum Wohnmobil zurück kehren, stellen wir fest, dass die Perestroika-Jünger ihren Stuhlkreis auf der freien Wiese neben unserem Wohnmobil aufgebaut haben. Das kann ja noch eine ruhige Nacht werden.
Um 23:00 Uhr beschwert sich Sarah, dass sie wegen des Lärms, den die inzwischen offenbar ziemlich angetrunkenen Perestroikas mit ihren ewigen Trinksprüchen machen, nicht schlafen kann. Ich kann ihr da nur recht geben. Das ist eben der Preis, den man hin und wieder zahlt, wenn man sich auf Campingplätze stellt. Pünktlich um Mitternacht löst sich die Gruppe jedoch auf. Wir können in Ruhe schlafen. Gott sei Dank.