Heute morgen wachen wir wieder um 9 Uhr auf. Das scheint unsere Standardzeit zu sein. Frühstücken können wir noch nicht, denn wir haben kein Brot mehr. Gott sei Dank hat sich Annemarie gestern die Abfahrtszeiten der Zahnradbahn notiert. Sechs mal am Tag fährt die Bahn in Diakofto ab und kehrt hierher zurück. Der Zug, der für uns in Frage kommt, fährt um 10:30 Uhr. Wir ziehen uns an, und fahren zurück nach Diakofto, zum Bahnhof. Diesmal finden wir auch einen Parkplatz direkt neben einem Supermarkt. Ich kaufe schnell ein paar Getränke ein und löse die Fahrkarten (3550 DR. die Rückfahrkarte für zwei Erwachsene), während Annemarie ein schnelles Frühstück zubereitet. Es wird Zeit: Sarah und ich gehen schon zum Bahnhof, Annemarie kommt mit Fabian nach.
Am Bahnsteig herrscht bereits Gedränge. Wir haben wohl den begehrtesten Fahrtermin des Tages erwischt. Als der Zug einfährt und die Türen öffnet, drängt alles auf die wenigen Fensterplätze. Dank der Kinder haben wir in diesem Gewühl die besseren Karten, jedenfalls ergattern wir einen guten Platz.
Ratternd und schaukelnd beginnt die Fahrt. Der Zug besteht nur aus zwei Waggons. Zwischen ihnen befindet sich ein kastenförmiger Wagen, welcher Dieselmotor und Antrieb enthält. Bis 1959 fuhren auf der Strecke mit nur 75 Zentimetern Spurweite noch Dampflocks, doch aus wirtschaftlichen Gründen hat der stinkende Diesel sie abgelöst.
Sarah ist anfangs von der Zugfahrt sehr angetan. Doch mit der Zeit wird es ihr langweilig und sie wird etwas quengelig. Fabian verleitet die Schaukelei bald zu einem Nickerchen in Mamas Arm.
Ich bin dagegen begeistert von der Landschaft, die wir durchrattern. Zum Teil muß das Zügchen erhebliche Steigungen bewältigen. An der steilsten Stelle klettert der Zug in sieben Streckenmetern um einen Höhenmeter. Immer wenn eine Steigungs- oder Gefällstrecke kommt, bremst der Lockführer ab und der Triebwagen fädelt das Zahnrad in den Zahnkranz zwischen den Gleisen ein. 68 Minuten dauert die Fahrt über die Strecke von 22 Kilometern. Gebaut wurde sie um 1890. Als wir im Zielbahnhof des 738 Meter hoch gelegenen Kalavrita einfahren, schläft auch Sarah fast schon. Wir beschließen direkt zurück zu fahren. Der Zug leert sich, und nun haben wir Platz in unserem Waggon. Während der Rückfahrt kann ich von einem Fenster zum anderen gehen, um alles zu filmen und zu fotografieren. Ob allerdings der Film bei der Wackelei wirklich etwas geworden ist, werde ich wahrscheinlich erst zu Hause erfahren.
Zurück beim Wohnmobil kaufen wir nochmals ein und studieren dann unsere Reiseführer nach einem neuen Ziel. Beide Routenvorschläge empfehlen einen Umweg über die Stymphalischen Sümpfe und so nehmen wir diese Stecke in Angriff. Es geht quer durch die Berge über 1200m Höhe. Das Wohnmobil hat unter der Steigung ganz schön zu kämpfen. Während die Kinder hinten in ihren Sitzen schlafen, genießen wir vorne die Landschaft. Irgendwann bekommen wir Hunger, und als wir die Sümpfe schließlich erreichen, bleiben wir stehen, um die Kinder abzufüttern und selbst einen großen Griechischen Salat zu genießen.
Das Wasser der in 600m Höhe in einer Hochebene gelegenen Stymphalischen Sümpfe hat eine Strömung, obwohl kein Abfluß sichtbar ist. Tatsächlich verschwindet das Wasser unterirdisch, um 11 Tage und 40km später südlich von Argos wieder zum Vorschein zu kommen. Im Herbst hat das Gewässer nur noch die halbe Ausdehnung wie im Frühjahr. Die Wasserfläche der Sümpfe ist dicht mit Schilf bewachsen und offenkundig ein Vogel- und Froschparadies. Wenn gerade mal kein Auto vorbei kommt, dann hört man, daß es jede Menge Leben auf der Wasseroberfläche gibt.
Der Sage nach sollen hier die Stymphalischen Vögel gelebt haben. Diese übel riechenden Riesenvögel fraßen Menschen und verschossen ihre Federn wie Pfeile. Erst der Held Herakles schaffte es, sie zu töten.
Einige Stunden stehen wir am Ufer der Sümpfe. In dieser Zeit wechselt der Himmel mehrfach seine Färbung. Wolken ziehen vorbei und bleiben am nahegelegenen Mount Killini hängen. Zwischendurch scheint auch immer wieder mal die Sonne. Gegen 19 Uhr beginnt es zu regnen. Zeit für uns, unsere Fahrt fortzusetzen.
Wir fahren weiter, bis es dunkel wird und legen uns in Galatas auf dem Dorfplatz schlafen. (Klingt gut, stimmts? Nein – wir parken auf dem Dorfplatz und begeben uns in unsere Betten).
Früher gab es überall in Griechenland wilde Hunde. In den letzten Jahren wurden sie eingefangen und ausgerottet. Bei unserer heutigen Tour durch die Berge haben wir sie wieder gesehen, die kleinen Trupps aus zwei bis drei Promenadenmischungen, die fernab von jeder Zivilisation ihr Leben aus den Mülltüten fristen, welche die Griechen gedankenlos einfach in die Landschaft werfen.