Der Hund, der um 7 Uhr morgens in der Nachbarschaft zu bellen anfängt, hätte von uns dazu beauftragt worden sein können. Beim Zubettgehen hatten wir gestern abend nämlich beschlossen, heute früher aufzustehen und vor dem Frühstück ins Meer zu springen. Ohne den bellenden Freund wäre es aber beim Vorsatz geblieben. Jetzt aber sind wir um 8 Uhr alle im Meer.
Danach ist uns nach Frühstück am Wasser und so baue ich Tisch uns Stühle direkt am Ufer auf. Wir genießen ein Frühstück mit unvergleichlicher Aussicht. Danach springe ich noch mal ins Wasser. Als wir schließlich unsere Siebensachen zusammengepackt haben, machen wir uns auf dem Weg in das Abenteuer der Bergstrecke über Kosmas.
Die Ortsdurchfahrt von Leonidio ist der erste Teil des Abenteuers, denn unser Auto dürfte keine fünf Zentimeter breiter oder höher sein – wir würden unweigerlich stecken bleiben. So blockieren wir nur eine Viertelstunde die Ortsdurchfahrt, bis wir uns im Schneckentempo zum Ortsende durchgeschlängelt haben.
Wenige Kilometer nach Leonidio, am Beginn des Anstiegs zum Mount Parnonas, den es zu überqueren gilt, halten wir an um das am Berg liegende Kloster zu fotografieren. Während dieses Zwischenstops werden wir von einem französischen Pärchen angesprochen und gefragt, ob sie bis Skala mitfahren könnten. Natürlich nehmen wir sie mit und wir setzen die Fahrt gemeinsam fort. Unsere Kinder schlafen schon wieder.
Einige Kilometer später haben wir die Höhe des Klosters erreicht. Direkt am Kloster gibt es Quellwasser und wir biegen von der Hauptstrecke ab, um dort unseren Trinkwasserkanister zu füllen.
Immer höher schrauben wir uns den Berg hinauf. Unser Wohnmobil hat ganz schön zu arbeiten. Schließlich erreichen wir Kosmas. Im Schrittempo tasten wir uns durch die Ortschaft bis zur Platia. Dort halten wir an, um im Schatten des riesigen Baumes, der den Dorfplatz beherrscht, etwas zu Mittag zu essen. Als wir vor zwei Jahren das letzte Mal hier durch kamen, damals in der Gegenrichtung, gab es keine Möglichkeit, stehen zu bleiben.
Frisch gestärkt, setzen wir die Fahrt fort. Bei Geraki wollen wir eigentlich von der roten in eine gelbe Straße abbiegen, müssen aber bei der Ortsdurchfahrt Geraki feststellen, daß es hier für Fahrzeuge von unserem Kaliber kein Durchkommen gibt.
Also wenden wir und nehmen doch die rote Strecke. In Molaoi setzen wir das Pärchen ab, sie möchten weiter nach Monemvasia. Die restlichen Kilometer bis zu Vasilli am Strand von Papadianiko sind rasch geschafft.
Als wir auf das Grundstück von Vasilli rollen, ist es, als wären wir nicht lange weg gewesen. Wir werden herzlich begrüßt und Vasilli entführt sofort unsere Kinder in die Küche, wo er ihnen einen Leckerbissen zusteckt. Danach bekommen wir den gleichen Stellplatz zugewiesen, auf dem wir letztes Jahr auch standen – lustiger Weise direkt hinter dem gleichen Wohnmobil mit Niederkasseler Kennzeichen und einem besonders klugen Spruch am Heck, welches letztes Jahr auch hier stand. Dessen Bewohner erkennen uns auch wieder und es gibt eine kurze Begrüßung – eben als wäre man nicht lange weg gewesen. Eigentlich liebe ich das nicht besonders. Ich bin dem ewig Gleichen eher abgeneigt, aber Annemarie möchte Wäsche waschen, deshalb sind wir hergekommen. Außerdem hat die Erfahrung des letzten Jahres gezeigt, daß auf Vasillis Grundstück viele kleine Kinder herum springen und das wird unseren Beiden bestimmt gefallen. Tatsächlich gibt es auch dieses Jahr wieder mindestens 6 Kinder in Sarahs und Fabians Alter.
Lisa, das ist Vasillis Hündin, hat vor sechs Wochen Junge bekommen. Ein kleines braunes sei noch zu haben, gibt Vasilli mir zu verstehen. Aber so süß die kleinen auch sein mögen: mit Jessica und Trixi sind wir bedient. Noch ein Hundebaby wäre zuviel des Guten.
Als es dämmert, begeben wir uns zum Essen. Alle, die hier stehen, treffen sich abends in Vasillis Taverne. Die Kinder haben kaum Zeit zum Essen, denn alle anderen Kinder springen auch um die Taverne herum und Ruck Zuck sind wir alleine am Tisch. Von Sarah und Fabian sieht man nur noch ab und zu einen Strich an der Taverne vorbei flitzen.
Für die Kinder ist es ein schöner Abend, der natürlich – wie bei Kindern üblich – immer wieder mal mit Tränen durchsetzt ist. Etwa, wenn jemand hinfällt, oder wenn man ein Dreirad partout nicht bekommt, wenn man es will. Vasillis Enkel, der auch Vasilli heißt, ist genau gleich groß, wie Fabian und hat es faustdick hinter den Ohren. Als er sein Dreirad, mit dem Fabian gerade durch die Taverne flitzt, wieder haben möchte, quetscht er sich kurzerhand hinter ihn. Zum Vergnügen aller Tavernengäste rutschen die beiden nun zu zweit durch die Gegend.
Kevin, das ist der fünfjährige Sohn der Bewohner des Wohnmobils vor uns, wirft am Strand mit Steinen. Fabian sieht das, möchte es nachmachen und trifft Kevin mit einem Stein am Kopf. Kevin, ganz Mann, meint, es sei nicht schlimm und tue gar nicht weh. Auch sein Vater, der dazu kommt, meint zu Annemarie, das sei nicht so schlimm, Kevin sei hart im Nehmen. Trotzdem nimmt mich Kevins Vater später am Abend beiseite und meint, wir sollen künftig etwas Abstand von ihnen halten; Kevin hätte bestimmt kein Interesse, näheren Kontakt mit unseren Kindern zu haben. Auf meine Frage, wie er das meine, entgegnet er, wenn man einen Stein an den Kopf bekäme, wäre das wohl verständlich. Das mit dem mangelden Interesse am näheren Kontakt gelte übrigens auch für sie selbst. Mir verschlägt es die Sprache. Projiziert der Kerl tatsächlich ein Versehen eines knapp zweijährigen Kindes auf uns und unsere Kinder – zumal sein Sohn dem kleinen Fabian vorgemacht hat, wie man Steine wirft. Das ist allerdings weit unter unserem Niveau. Eines möchte ich im Urlaub bestimmt nicht haben: Kleinkrieg mit einem kleinkarierten Dauercamper.
Zusammen mit Annemarie überlege ich, was nun am besten zu tun sei: wir können das Volk einfach ignorieren, das würde uns Erwachsenen nicht schwer fallen, denn diese Leute sind ohnehin kein Umgang für uns. Unsere Kleinen würden das aber nur schwer verstehen und wären kaum von deren Kindern fernzuhalten. Wir könnten morgen auch unsere Fahrt fortsetzen. Dafür spricht, daß einige nette Familien, die wir heute abend in Vasillis Taverne kennen gelernt haben, morgen abreisen. Damit wären die meisten Kinder weg und es blieben nur noch Kevin und seine Schwester übrig – kein Umgang für unsere beiden. Wir verschieben die Entscheidung auf morgen und gehen erst mal zu Bett.