Mittwoch, 11. April 2001

Die Nacht war kurz und unruhig. Obwohl Fabian und ich im Kinderzimmer durch eine Schiebetür vom Treiben im Wohnraum unseres Mobils etwas abgetrennt sind, höre ich doch immer wieder Stimmen. Sarah geht es offensichtlich nicht so gut. Als der Morgen dämmert ist auch Fabian schon wach. 

Wir Frühstücken zu dritt, unser krankes Mädchen schläft im Alkoven. Nach dem Frühstück lassen Fabian und ich die beiden Frauen etwas alleine und gehen den ausgestorbenen Ort besichtigen. Allerdings gibt es bis auf dicht verrammelte und verschlossene Miniaturvillen nichts zu sehen. Im Sommer ist hier bestimmt der Teufel los, aber im Augenblick ist der Ort absolut tot.

Ein ausgestorbener Ferienort

Nach unserer Rückkehr zum Wohnmobil ist auch Annemarie so weit, dass wir unsere Fahrt fortsetzen können. Weiter als bis Mazara werden wir mit unserem kranken Kind ohnehin nicht kommen. Vielleicht finden wir dort auch wieder so einen schönen Stellplatz im Hafen wie in Sciacca.

Mazara verfügt über den größten Fischereihafen Italiens. Der vermittelt dem Besucher auch den ersten Eindruck von der Stadt, wenn er, wie wir, vom Süden her in die Stadt kommt. Man fährt auf einer Uferstraße direkt am Meer entlang, bis die breite Straße unvermittelt am Fischereihafen endet und sich in enge Innenstadtstraßen verliert. Wir passen mit unserem Mobil gerade noch so hindurch, nehmen aber die erste Möglichkeit, um wieder in den Fischereihafen zu flüchten, wo wir mehr Platz für unsere mobile Ferienwohnung haben. Zunächst einmal brauchen wir einen schönen, ebenen und ruhigen Platz, wo unser Mäuschen ihren Schlaf findet. Dann werde ich in aller Ruhe den Roller abladen und die notwendigen Besorgungen machen und später etwas die Stadt besichtigen.

Mazara soll auch die Stadt mit dem stärksten nordafrikanischen Einfluß sein. Es gibt hier Stadteile, die sind von Stadtteilen in Tunis nicht zu unterscheiden. Mal sehen. Heute werden Annemarie und ich in jedem Fall getrennt unterwegs sein. Unser Mäuschen braucht doch einen Krankenpfleger.

Ich stelle das Wohnmobil etwas außerhalb der Stadt, auf einem ebenen Platz direkt am Meer ab. Zuerst fährt Annemarie mit dem Fahrrad in die Stadt. Sie möchte frisches Obst für Sarah besorgen und das erledigt sie lieber selbst. So habe ich etwas Zeit, um am Reisebericht zu schreiben. Sarah schläft im Alkoven und Fabian genießt die Ruhe im Kinderzimmer um ganz lieb mit seinen Autos zu spielen.

Endlich kommt Annemarie zurück. Ich bin davon ausgegangen, dass sie nur zu einem Obsthändler fährt, der in der Nähe seine Früchte von einem Dreirad verkauft. Der war aber anscheinend nicht mehr da und so fuhr Annemarie mit ihrem Fahrrad in die Stadt. Und dort hat sie sich wohl hoffnungslos verfranzt. Jedenfalls dauert es einige Zeit, bis sie zurück kommt. 

Jetzt bin ich an der Reihe. Mit dem Motorroller mache ich mich auf Erkundungstour in die Stadt. Zuerst besuche ich den Hafen. Es ist beeindruckend, wie viel Fischerboote hier vertäut liegen. 

Die bereits auf hoher See eingefrorenen Fische werden im Hafen, fertig verpackt, direkt in den Kühllastwagen verladen. 

Aber auch an historischen Bauwerken hat die Stadt einiges aufzubieten. Nahe des alten Stadtzentrums stelle ich den Roller ab und mache mich auf Entdeckungstour.

Piazza della Repubica 

Auch in das Nordafrikanische Viertel Kasbah gelange ich. Die Athmosphäre, die hier herrscht, kann ich leider mit Worten und Bildern nicht wiedergeben. Von irgendwo her klingt orinentalische Musik durch die engen Gassen. Ein paar orientalisch aussehende Mädchen laufen an mir vorbei und kichern. Ich komme mir auf einmal vor wie im Orient. Die Kuppel einer Kirche könnte auch die eine Moschee sein (man verzeihe mir diese Ignoranz).

Über Funk bekomme ich die Info vom Wohnmobil: essen kommen – das Mittagessen ist fertig. Ich löse mich vom Orient und suche den Motorroller. Gott sei Dank weiß ich noch, dass er in der Nähe des Piazza della Republica steht. Sonst hätte ich mich im Gewirr der Gassen wahrscheinlich verlaufen. Ich brause zurüch zum Wohnmobil um zu Mittag zu essen. Die Kinder sind bereits abgefüttert, als ich ankomme.

Nach dem Essen mache ich Fabian eine Freude und fahre mir ihm auf dem Motorroller zum Hafen. Aber die Fischerboote interessieren ihn gar nicht so sehr. Er drängt bald zur Rückfahrt. Das Rollerfahren hat ihm viel mehr Spaß gemacht.

Als wir zum Wohnmobil zurück kommen, hat Annemarie bereits fertig aufgeräumt. Sie macht den gleichen Vorschlag, den ich auch gemacht hätte: fahren wir doch weiter nach Marsala. Hier ist es ohnehin nicht besonders schön. 

So machen wir es auch. Fabian sitzt im Kindersitz, Sarah liegt im Alkoven und wir machen uns auf den Weg. Unterwegs, in Petrosino kaufen wir noch ein paar Lebensmittel ein. Kurze Zeit später erreichen wir Marsala, die Stadt, die vor allem durch ihren Wein bekannt geworden ist. Nahe des Yachthafens gibt es einen großen Parkplatz. Hier wollen wir unser Wohnmobil abstellen. Auf Experimente mit zu engen Innenstadtstraßen und rücksichtslosen Sizilianern habe ich momentan keine Lust. 

Kaum stehen wir, hält neben uns eine Limousine mit einem Pärchen, eine junge Frau und ein älterer Herr, beide sehr gepflegt aussehend. Sie erklären uns, halb englisch, halb italienisch, dass Sie von Air Camp sind und es einen Stellplatz über Ostern in der Nähe des Stadions gäbe. Sie würden uns gerne dorthin begleiten um uns den Weg zu zeigen. Gerne nehmen wir das Angebot an.

Die Strecke durch die Stadt ist mit grünen Schildern optimal gekennzeichnet. Hätten wir eines der Schilder gesehen, hätten wir den Stellplatz auch alleine gefunden. 

Als wir den reservierten Platz erreichen, sind wir das 14. Mobil auf dem Platz. Sogar ein deutsches Wohnmobil steht schon hier und, der Zufall will es so, es hat Böblinger Kennzeichen und kommt aus Herrenberg. 

Auf dem Platz stehen einige Personen in Grüppchen zusammen und unterhalten sich. Wir stellen uns dazu und es kommen herrliche Gespräche zustande. Fabian kann auf dem Platz herumtoben und alle spielen Fußball mit ihm. Es ist herrlich. Es verkehrt sogar ein kostenloser Pendelbus zwischen dem Platz und der Innenstadt. Als der Bus auf dem Platz etwas warten muss, steigt sogar der Fahrer aus und spielt mit Fabian.

Als die Leute von Air Camp erfahren, dass wir ein krankes Kind ab Bord haben, kümmern sie sich rührend um uns. Sarah muss zu einem Arzt, darauf bestehen sie. Sie rufen im Krankenhaus an und begleiten uns auch hin. Die Ärztin, die Sarah untersucht, verschreibt ihr Penicillin. Die Kleine bekommt sofort eine Spritze. So wie wir die Ärztin verstehen, geht es darum, zu verhindern, dass die Entzündung, die Sarah im Hals hat, auf den Blinddarm übergreift. Morgen vormittag müssen wir zur Kontolle kommen und abends um 20:00 Uhr bekommt Sarah nochmals eine Spritze, übermorgen abend eine Dritte. Das Penicillin müssen wir in einer Pharmacia (Apotheke) besorgen und morgen Abend mitbringen. Die Untersuchung und die erste Spritze kostet nichts.

Nachdem wir zum Wohnmobilstellplatz zurück gebracht wurden, bedanken wir uns, so gut es geht und bringen die Kinder ins Bett. Zuvor erhalten wir von den Air Camp Leuten noch einen Zettel mit der Preisliste einer Pizzeria in die Hand gedrückt. Diese Pizzeria liefert direkt hier auf den Platz. Nachdem es schon sehr spät geworden ist, nehmen wir diesen Service gerne in Anspruch. 

Wir sind noch am Essen, als Sarah im Alkoven aufwacht. Sie schreit erbärmlich. Annemarie holt sie aus dem Bett, aber Sarah scheint sie nicht zu erkennen. Es hat den Anschein, als ob Sarah einen Alptraum mit offenen Augen durchlebt. Sie schreit intervallartig und versucht immer wieder einen Satz zu bilden, der mit "Mami …" beginnt. Es ist beängstigend. Annemarie legt sich mit Sarah ins Bett und ich lege mich ins Kinderzimmer zu Fabian. Hoffentlich bekommt Sarah von der Penicillinspritze keinen Schock. 

Morgen, am Gründonnerstag, findet in Marsala eine Prozession statt, auf der das Leben von Jesus nachgespielt wird. Am Karfreitag gibt es nochmals eine Prozession. Diese Veranstaltungen scheinen in Italien einen guten Ruf zu genießen. Die Aktion von Air Camp dient dem Ansturm der Wohnmobile, der hier erwartet wird. 

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