Der Tag an Bord. Wir frühstücken vor unserer fahrbaren Kabine und gehen dann an Deck. Sarah darf mit Mama erst im Pool, später im Kugelbad baden. Es dauert nicht lange, bis die Kleine bittet: "Mama, heia". Das hat sie sich im Urlaub angewöhnt: sie teilt uns mit, wann sie müde ist und schlafen gehen möchte. Wir bringen sie und Fabian ins Auto und gehen dann ins Self-Service-Restaurant essen.
Später beraten wir, was wir in den nächsten Tagen unternehmen könnten. Schließlich haben wir noch eine halbe Woche Zeit. Bleiben wir in Italien oder fahren wir in die Schweiz? Annemarie sitzt vor dem Wohnmobil und stöbert in Karten und Campingführer. Ursprünglich hatten wir ja vor, nach unserer Ankunft in Italien auf dem schnellsten Weg die Schweiz anzustreben, denn man hat ja bereits von den Überfällen auf Wohnmobile in Italien gehört …
Ein Regenbogen heißt uns in Ancona willkommen
Als wir abends in Ancona ankommen, regnet es. Über der Stadt scheint jedoch die Sonne, so daß sich darüber ein Regenbogen bildet. Vom Schiff aus sieht das wunderschön aus. Alle quetschen sich vor die wenigen Gucklöcher nach hinten, die diese Fähre auf dem Campingdeck zu bieten hat, und versuchen einen Blick auf den Anlegevorgang zu werfen. Schließlich verlassen die ersten Fahrzeuge die Fähre. Wir sind relativ weit hinten, deshalb dauert es einige Zeit, bis wir dran sind, von Bord zu fahren. Auch in Ancona staut sich der Verkehr. Um ca. 20:30 Uhr erreichen wir die Autobahn und fahren Richtung Bologna. Mittlerweile sind wir überein gekommen, doch in die Schweiz zu fahren. Es geht zügig voran. Wir wechseln die Autobahn und fahren weiter nach Milano. Als wir diese Stadt erreichen, ist es ungefähr 1:00 nachts.
Hier beginnt eine nächtliche Odysee. Es beginnt damit, daß wir an einer Zahlstelle 34.000 Lire bezahlen sollen. Der Schalterautomat, der auch Kreditkarten akzeptieren soll, quatscht mich auf italienisch an. Er ist auch nur in dieser Sprache beschriftet. Ich nehme an, daß der die Karte haben will, die wir in Ancona erhalten haben, als wir auf die Autobahn aufgefahren sind, und stecke sie in einen Schlitz. Der Automat zeigt den Betrag an und quasselt mich auf italienisch voll. Also nehme ich an, daß er nun die Kreditkarte haben möchte, und suche den passenden Schlitz dafür. Ich finde auch einen, aber er nimmt die Karte nicht an. Ich probiere und probiere, während die Kiste italienisch auf mich los quasselt. In meiner Not drücke ich einen roten Knopf, der auch irgendwie beschriftet ist. Daraufhin kommt die Autobahnkarte wieder aus ihrem Schlitz und der Automat sagt etwas italienisches, das mit "Grazie" endet. Die Schranke geht auf. Ich verstehe die Welt nicht mehr, denn bezahlt habe ich bis jetzt noch nichts. Die Eurocard hat er ja nicht angenommen. Als wir die Zahlstelle verlassen, geht hinter uns ein Licht an, wir werden fotografiert. In der Annahme, daß etwas schief gegangen ist, halten wir auf dem Seitenstreifen an und Annemarie geht zurück zu einem besetzten Schalter. Sie versucht zu klären, ob, oder wie wir nun die Autobahngebühr entrichten können. Der Bedienstete sagt irgendwas von Como. Dies ist die Grenzstadt zur Schweiz, also nehmen wir an, daß vor der Grenze eine Zahlstation kommt, an der wir dann den gesamten Betrag Autobahngebühr am Stück bezahlen können. Das ist auch vernünftig, denn auf der Hinfahrt haben wir gerade im Bereich um Milano alle paar Meter eine Zahlstelle gehabt.
Die Beschilderung ist mehr als dürftig. Plötzlich ruft Annemarie: "Nach Como geht's rechts ab!". Ich wechsle schnell die Fahrspuren und schaffe es gerade noch die Ausfahrt zu erreichen. Im vorbeifahren fällt mir auf, daß der Schriftzug "Como" auf blauem Untergrund angegeben war und in grün "Venedig" auf dem Wegweiser steht. Wir fahren bereits auf dem Zubringer zu der neuen Autobahn, da wird mir bewußt, daß wir falsch abgebogen sind. Die Hinweis "Como" bezog sich auf die Nationalstraße, und die dürfen wir ja nicht benutzen, weil wir die Autobahngebühr in Como bezahlen müssen. Wie wir zurück auf "unsere" Autobahn gelangen, möchte ich an dieser Stelle nicht beschreiben. Als Hinweis soll lediglich genügen, daß es einige Zeit dauert, bis wir wieder in die richtige Richtung unterwegs sind.
Die Odysee ist jedoch noch nicht abgeschlossen. Wir folgen der Autobahn. Die Beschilderung zeigt seit geraumer Zeit nur noch "Venedig" und "Turino" an, beide Städte liegen jedoch nicht auf unserer Strecke. Wir passieren mehrere Zahlstellen, wo wir stets nur Kleckerbeträge entrichten müssen. Einen Hinweis auf Como finden wir jedoch nicht. An einer Zahlstelle, wir sind kurz vor dem Verzweifeln, springt Annemarie aus dem Auto und hält einen Deutschen an der Zahlstelle neben uns an. Der bestätigt ihr, daß wir doch richtig sind. Annemarie bekommt fast die Schranke seiner Durchfahrt auf den Kopf, als er diese verläßt. Ich bezahle unsere Gebühr, die Schanke geht auf, während Annemarie noch draußen steht. Sie ruft mir zu, ich solle schnell durchfahren und ich gebe Gas. Annemarie läuft mir hinterher, ohne daran zu denken, daß sich die Schranke hinter mir wieder schließen könnte und bekommt das Ding prompt voll auf den Kopf. Auf der Weiterfahrt jammert sie über Kopfschmerzen, mutmaßt, ob sie wohl einen Schädelbruch hat und will von mir wissen, ob ein Kopf so etwas aushalten kann. Ich versuche sie zu beruhigen, denn ich habe gesehen, daß die Schranken unten Gummi haben.
Jedenfalls sind wir auf der richtigen Autobahn und die Beschilderung stimmt auch wieder. Wir beide haben nur noch einen Wunsch: raus aus Italien und ins Bett. Schließlich erreichen wir die Grenze, aber von einer Zahlstelle ist nichts zu sehen. Ich nehme an, daß wir von den Grenzbeamten zur Kasse gebeten werden, die noch ausstehende Autobahngebühr zu zahlen aber die winken uns ohne einen Blick auf unsere Pässe durch. Na ja, wahrscheinlich schicken sie uns jetzt eine Rechnung nach Hause.
Macht nichts, wir haben Italien verlassen. Direkt nach der Grenze ist ein Rastplatz, dort halten wir an und fallen in's Bett. Es ist 3:00 Uhr.