Heute morgen erwacht das Leben am Hafen von Nafplion schon sehr früh. Fischer richten ihre Boote zum Auslaufen, Autos kommen und fahren wieder weg. Ich werde gegen 8 Uhr von der Geräuschkulisse geweckt. Es ist mir recht, denn ich habe ohnehin vor, die Festung Palamidi zu besichtigen. Die ca. 850 Stufen, die von der Altstadt aus hinauf führen, bewältigt man möglichst nicht in der prallen Mittagssonne. Ich lasse den Rest der Familie schlafen und schleiche mich mit der Foto- und Filmausrüstung leise davon.
Bis ich den Aufstieg geschafft habe, muß ich gehörig schwitzen. Je höher ich bin, desto grandioser wird der Ausblick auf Nafplion und den Argolischen Golf. Oben angekommen, entrichte ich meinen Eintrittspreis von 800 Drachmen und sehe mich um.
Die venezianische Festung Palamides besteht aus mehreren unterschiedlich gut erhaltenen Anlagen, die sich über den gesamten Festungsberg erstrecken. Sie wurde im frühen 18. Jahrhundert erbaut. Benannt wurde die Festung nach Palamides, einem weisen Ratgeber der Griechen im Trojanischen Krieg. Bei den alten Griechen galt er als der Erfinder der Buchstaben, des Rechnens, der Maßeinheiten und des Würfelspiels.
Nachdem ich auch die hinterste der Festungsmauern überwunden habe, stehe ich vor einer Straße, mit Parkplatz. Auf diese Weise hätte ich also die 850 schweißtreibenden Stufen vermeiden können! Um so mehr erfüllt mich die Tatsache mit Stolz, daß ich den Aufstieg unmotorisiert geschafft habe. Allerdings habe ich einen unbändigen Durst. Bei meinem Aufbruch heute morgen habe ich natürlich nicht daran gedacht, etwas zu trinken einzupacken.
Schließlich habe ich mich genug umgesehen und mache mich auf den Rückweg. Am Fuß der Treppe hat ein geschäftstüchtiger Mensch einen Getränkeautomaten aufgestellt. Dieser rettet mir jetzt das Leben. Ich leere eine Dose Sprite in einem Zug. Ein alter Grieche kommt vorbei, deutet auf den Berg lächelt. Ich lächle zurück. Wir haben uns verstanden.
Am Hafen ist Annemarie gerade dabei, die Kinder für den Stadtrundgang vorzubereiten. Ich trinke schnell eine Tasse Kaffee, überspiele den Speicherchip meiner digitalen Kamera aufs Notebook und bin auch schon wieder bereit, für die Erkundung der Altstadt. Gerade möchten wir aufbrechen, da bittet uns ein Deutscher um Starthilfe. Sein Womo, ein älter VW LT Kastenwagen, springt nicht mehr an. Schnell räumen wir bei uns etwas auf, damit ich zum defekten Fahrzeug fahren kann. Der Starthilfeversuch schlägt jedoch fehl, denn der Fehler scheint an der elektrischen Anlage zu liegen, nicht an der Batterie des LT. Der Besitzer des Fahrzeugs wackelt an einigen Relais seines Fahrzeugs herum und plötzlich läßt sich der Wagen wieder starten. Gott sei Dank.
Nun steht einer Erkundung der Altstadt nichts mehr im Wege. Wir ziehen durch die schnuckeligen Gassen und schön gestalteten Plätze der Stadt. Jetzt, im Mai hat die Altstadt ihren besonderen Reiz: überall blühen Blumen auf den Balkonen. Als Sarah quengelig wird, setzen wir uns in eine Taverne um zu Mittag zu essen.
Schließlich geht es zurück zum Wohnmobil. Erneut setzen wir uns in Bewegung und verlassen die Stadt in Richtung Argos. Allerdings haben wir nicht vor, die Stadt selbst zu besuchen. Die Burg Tiryns ist das Ziel unseres Abstechers.
In unseren Reiseführern haben wir von dem erstaunlichen Mauerwerk gelesen, aus dem die bereits 3.500 Jahre alte Ruine besteht. Die bis zu 17 Meter dicken Mauern bestehen aus gigantischen Steinblöcken. Der Sage nach wurde die Burg von Zyklopen, riesigen einäugigen Menschen, erbaut. In der Archäologie spricht man heute von zyklopischem Mauerwerk.
Mir genügt der Blick über den Zaun. Die Kinder schlafen fast und wir möchten diesen Zustand möglichst lange aufrecht erhalten. Daher setzen wir die Fahrt schnell fort.
Wir umrunden den Argolischen Golf und gelangen schließlich nach Paralia Astros. Hier liegt ein schmaler Sandstrand direkt an der Straße. Obwohl an der Einfahrt zu diesem Platz ein Camping-Verbotsschild steht, befinden sich bereits einige Womos hier. Wir stellen uns dazu und genießen den Rest des Tages in strahlendem Sonnenschein am Strand.
Sarah hustet heute schon den ganzen Tag. Deshalb darf sie nicht ins Wasser. Gegen Abend klagt auch Annemarie über Kopfschmerzen und Übelkeit. War das nun die Sonne, oder zieht eine allgemeine Erkältung über uns her? Als die Sonne hinter den Bergen verschwindet, wird es rasch sehr kalt. Man merkt, daß es noch verhältnismäßig früh im Jahr ist. Jedenfalls sind wir froh, uns ins gemütliche Womo zurückziehen zu können. Wir sind alle ziemlich erledigt. Heute wird es sicher nicht spät werden. Wir essen eine Kleinigkeit und gehen mit den Kindern ins Bett.