Donnerstag, 3. Juni 1999

Das Beste an einem Wohnmobil ist die Möglichkeit, weiterzufahren, wenn einem das Publikum an einem Platz nicht gefällt. Und das machen wir heute morgen nach dem Frühstück. Schnell haben wir zusammengepackt. Die Kinder dürfen noch mal ins Meer hüpfen und dann geht's los. Unser Entschluß, hierher nicht mehr wiederzukommen, steht fest. Im Prinzip gibt es in dieser Gegend ohnehin nichts, was einen längeren Aufenthalt rechtfertigen würde. Die wenigen Sehenswürdigkeiten haben wir bereits letztes Jahr besucht. Und der Strand in Vasillis Bucht ist gerade mal 20 Meter breit. Der Rest der Bucht wird von einer scharfkantigen Felsplatte beherrscht.

Unser heutiges Ziel heißt Mistras. Letztes Jahr, ungefähr um diese Zeit, standen wir ja schon mal vor den Toren der Archäological Site, allerdings regnete es damals den ganzen Tag und so hatten wir den Besuch dieser alten Stadt auf einen späteren Zeitpunkt verschoben.

P012719.jpg (13399 Byte)Die Sonne brennt senkrecht vom Himmel, als wir Mistras erreichen. Wir stellen uns vor das obere Eingangstor und ich hole den Roller vom Träger um meine hungrigen Münder mit Souvlaki Pitta zu versorgen. In der Ortschaft Mistras gibt es einen Schnellimbiß, an dem ich unser heutiges Mittagessen hole.

Wir essen gemütlich und warten, bis die die größte Mittagshitze vorüber ist, bevor wir um 16 Uhr die Besichtigungstour beginnen. Zuvor bringe ich aber mit Sarah noch unseren Roller zum unteren Eingang. Ich denke, es wird einfacher sein, mit den Kindern den Berg einmal hinunter, als danach auch wieder hinaufsteigen zu müssen. Unten angekommen, stellen wir den Roller neben dem Tor ab und gehen zurück zur Serpentinenstraße, die den Berg zum oberen Tor hinauf führt. Wir brauchen keine zwei Minuten zu warten, bis wir mit einer Tiroler Urlauberfamilie in ihrem Campingbus wieder hinauf zu unserem Wohnmobil mitfahren können.

Ich gehe alleine nach Mistras hinein, denn ich möchte auch zur Burg hinaufsteigen, und das wäre für Annemarie und die Kinder zu anstrengend. Die schlendert derweil mit den Kindern vom oberen zum unteren Tor, wo wir uns spätestens wieder treffen wollen.

P012802.jpg (22614 Byte)Am Eingang werde ich mit meinem Kamerastativ wieder zurückgeschickt. Filmen oder fotografieren mit Stativ sei verboten, teilt man mir mit. Ich weiß das eigentlich schon vom Vorjahr, wollte aber trotzdem probieren, ob ich das Stativ hinein schmuggeln kann. So bringe ich das Ding zurück zum Wohnmobil und nutze Mauern und andere Gegenstände als Kameraauflage. Ich weiß nicht, was die Griechen mit dem Stativverbot erreichen wollen. Wenn sie aber qualitativ gute Aufnahmen verhindern möchten, dann muß ich sie enttäuschen. Filmen ohne Stativ ist zwar etwas unbequemer, geht aber genauso gut, wenn man die Kamera auflegt.

Mistras ist eine alte Ruinenstadt, die sich über einen ganzen Berg hinzieht. Man kann verfallene Häuser und Kirchen besichtigen und in den alten Wegen herum stapfen. Während ich durch die Altertümer schlendere, stelle ich mir vor, wie toll es für Kinder sein müßte, wenn sie hier ungestört Ritterburg oder Verstecken spielen könnten.

P012813.jpg (12919 Byte)Irgendwann treffe ich auf den Rest meiner Familie. Sie sind kurz vor dem Ausgang und die Kinder haben nur noch einen Gedanken: Eis! Annemarie hat sie mit dem Versprechen, sie bekämen ein Eis, wenn sie lieb sind, zum Durchhalten motiviert. Direkt beim unteren Haupteingang gibt es eine Kantina und dort bekommen Sarah und Fabian, was ihnen versprochen wurde. So hat sich auch für die Kleinsten der Ausflug nach Mistras gelohnt.

Es ist mittlerweile schon so spät, daß die Kleinen, als wir uns zu viert auf dem armen Roller wieder den Berg hoch gequält haben, gleich ihr Abendessen bekommen und fürs Bett fertig gemacht werden. Die Sonne steht bereits weit im Westen, aber noch hoch genug, daß wir die Fahrt nach Kalamata über die Berge heute noch antreten können. Letztes Jahr haben wir die gleiche Strecke auch befahren, als wir an besagtem Regentag Mistras wieder verlassen haben.

P012826.jpg (21825 Byte)Wie im letzten Jahr sind wir auch diesmal wieder beeindruckt vom Aufstieg der Strecke am Osthang des Taigetos-Gebirges, das wir überqueren müssen. Abenteuerlich schraubt sich die Straße durch das schroffe Felsgestein. Teilweise wurden Passagen für die Straße aus dem Fels gemeißelt.

Wir haben die Paßhöhe noch nicht erreicht, da erschrecken wir gewaltig. Viel haben wir von den schrecklichen Waldbränden gehört, die letztes Jahr in Griechenland gewütet haben, aber was sich hier unseren Augen bietet, übertrifft die schlimmsten Vorstellungen bei Weitem. Ganze Hänge und Berge sind komplett abgebrannt. Die Westflanke des Gebirges, bei unserer letzten Tour im Mai '98 noch in saftigem Grün, ist total kahl. Überall ragen bizarre, verkohlte Baumleichen in den Himmel.

Es ist traurig. Von der Schönheit der Landschaft an der Strecke Sparti – Kalamata schwärmte in der Vergangenheit jeder, der diese Strecke einmal gefahren war. Jetzt hat sie ihren Reiz verloren. Die Erosion wird vielleicht den Rest erledigen und eventuell sogar eines Tages die Straße wegspülen. Man hat zwar versucht, dem vorzubeugen, indem man die Baumleichen in etwa einem Meter Höhe abgesägt und zwischen den verbleibenden Stämmen Zäune aus geflochtenem Astwerk angebracht hat, aber ob das eine langfristige Lösung ist, wird erst die Zeit zeigen. Und bis die Wunden dieses Brandes ganz verheilt sein werden, können Generationen vergehen – in Griechenland besonders, denn hier gehen die Uhren langsamer.

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Es ist schon dunkel, als wir unseren neuen Standort für die nächsten ein bis zwei Tage erreichen: Paralia Velikas. Mit einiger Mühe finden wir den Platz wieder, an dem wir letztes Jahr auch bereits einmal waren. Der Hauptgrund für diese Platzwahl besteht in der Tatsache, daß die sauberen Sachen unserer Kinder knapp werden und Annemarie dringend einen Waschtag einlegen möchte. An diesem Strand gibt es einen Wasserhahn. Meine sofortige Kontrolle nach dem Eintreffen gibt uns Gewißheit: die Wasserstelle ist noch da und das Wasser fließt noch.

Wir sind übrigens das einzige Wohnmobil hier. Mit einem etwas mulmigen Gefühl geht Annemarie zu Bett. Ich bin da nicht so zart besaitet, mir macht es nichts aus, alleine zu stehen.

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