Dienstag, 21. August 2001

Heute morgen muss ich noch früher aufstehen, als gestern. Um halb 9 soll ich bei eXtreme sein. Deshalb trinke ich nach dem Aufstehen nur schnell einen Kakao und mache mich mit dem Gleitschirm auf dem Motorroller auf den Weg. Die ersten Gleitschirmpiloten landen bereits am Strand, als ich bei eXtreme eintreffe. Bis wir tatsächlich unterwegs auf den Berg sind, ist es nach 9 Uhr. Der Himmel sieht wieder bedenklich aus, finde ich. Dicke Wolkenfelder hängen tief am Himmel. Allerdings sieht es so aus, als ob der Gipfel des Babadað noch frei ist.

So ist es auch. Am oberen Startplatz angekommen, haben wir die Wolkendecke unter uns gelassen. Dicke Wolkenfelder ziehen vom Meer her auf den Babadað zu. Selim erklärt mir, dass ich an der Bergflanke entlang fliegen müsse. Links gäbe es Löcher in der Wolkendecke, von dort aus könne ich dann das Meer sehen, wenn ich das Ende des Bergmassivs erreicht hätte.

Dann geht alles ganz schnell. Innerhalb von wenigen Minuten sind die Tandempiloten mit ihren Passagieren gestartet und ich stehe alleine mit dem Fahrer des Geländejeeps am Berg. Auch mein Start klappt reibungslos. Jedoch kann ich bald nach dem Start erkennen, dass es für mich kein Wolkenloch mehr gibt. Ich fliege über einer geschlossenen Wolkendecke. Gott sei Dank habe ich ausreichend Höhe über den Wolken. Ab und zu tut sich ein kleines Loch nach unten auf, durch das ich erkennen kann, dass das Bergmassiv, an dem ich entlang fliege, länger ist, als ich geschätzt hätte. Ich kann auch erkennen, dass ich genug Höhe über Grund habe, als ich in die Wolken eintauchen muss. Die anderen Tandems sind schon weit weg, also dürfte auch keine Kollisionsgefahr bestehen. Ich muss da durch – es hilft alles nichts. Für ein paar Minuten sehe ich überhaupt nichts – nur weiß. Dann plötzlich habe ich den Rand der Wolkendecke erreicht. Das Meer liegt vor, bzw. neben mir. Ich hätte es nämlich in einer anderen Richtung vermutet. Den restlichen Flug genieße ich aus vollen Zügen. Der Adrenalinspiegel sinkt und ich kann sogar meine Kamera aus der Tasche des Gurtzeugs hervorkramen, um einige schöne Fotos aus der Luft zu machen.

Blick aus 1000 Metern Höhe auf die Blaue Lagune von Ölüdeniz

951 Höhenmeter zeigt das Vario. Es ist 9:45 Uhr.

Blick auf die Nachbarbucht. Dort liegt das Ferienzentrum Lykiaworld (in Bildmitte)

Die Ortschaft Ölüdeniz

Blick nach Westen auf die Küste

Noch ein schöner Blick auf die charakteristische Strandzunge, die die Lagune vom offenen Meer abtrennt. Inzwischen schon etwas tiefer.

Es wird Zeit, dass ich mich auf die Landung vorbereite. In Bildmitte der anvisierte Landeplatz.

Nach der Landung habe ich ein Hochgefühl, das unbeschreiblich ist. Ich lasse meinen Gleitschirm von zwei Jungs für ein Trinkgeld einpacken und mache mich auf den Weg, zum Office von eXtreme, wo die längst gelandeten Tandempassagiere gerade die Videos ihrer Flüge gezeigt bekommen. Wie es mir ergangen sei, will Selim wissen. Er hätte an mich denken müssen, als er in der Luft festgestellt hatte, dass sich die Wolkendecke schneller schloss, als er vorausgesagt hatte. Er klopft mir auf die Schulter und meint augenzwinkernd, ich hätte ja eine gute Wegbeschreibung gehabt. Ich schaue den Videos noch etwas zu und mache mich dann auf den Weg zum Wohnmobil.

An unserem Strand stürze ich mich erst mal ins Meer, um den Staub vom Berg abzuwaschen. Danach machen wir uns alle zusammen mit den Rollern wieder auf den Weg nach Ölüdeniz, wo wir in eine Pizzeria an der Strandpromenade etwas essen gehen. Anschließend bummeln wir ein wenig. Ich habe ein Flieger T-Shirt an, was zur Folge hat, dass ich überall als Pilot erkannt werde und wir nicht mehr dauernd angequatscht werden, ob wir Interesse an einem Tandemflug hätten. An einer Fliegeragentur komme ich mit dem Inhaber ins Gespräch, der mir mitteilt, dass die Wetterkarten zur Zeit ein ausgedehntes Tief über der Türkei ausweisen, daher auch die Wolken. In der ganzen Türkei, außer den Küstengebieten, regne es zur Zeit. Morgen sei auch nochmals so ein wolkiger Tag, danach sei das Wetter wieder stabil. Als Alternative zum Fliegen bietet er mir eine Bootstour an. Vielleicht werden wir das Angebot morgen annehmen.

Lieber will ich heute nochmals einen Flug machen. Am späten Nachmittag, nach ausgedehntem Badespaß, mache ich mich gegen 17:00 Uhr mit dem Gleitschirm und dem Roller auf den Weg nach Ölüdeniz. Irgendeine Agentur wird schon den Berg hinauf fahren. Ich habe Glück, und komme sofort mit einem Lastwagen mit, der soeben zum Babadað aufbricht.

Nach einer dreiviertelstündigen Holperfahrt treffen wir alle total verstaubt oben ein. Direkt nach uns kommen noch weitere Jeeps.

Die Startbedingungen sind alles andere als optimal. Der Wind kommt seitlich und ich habe auch gleich einen Startabbruch, weil mein Schirm seitlich weg kippt. Danach bin ich ausgebootet, weil jetzt die Lufttaxiunternehmer einen Passagier nach dem anderen hinaus wuchten. Einer der Piloten gibt mir zu verstehen, dass der Wind noch stärker werden könne, deshalb versuchen alle, so schnell wie möglich zu starten. Irgendwann komme aber auch ich zum Zug. Der zweite Start klappt ausgezeichnet.

Die Sonne steht schon tief. Bei Starkwindbedingungen werden die Tandemschirme hinausgewuchtet.

Wieder einer der es geschafft hat. Kurs aufs Meer und Tschüss!

Es herrscht hektisches Treiben. Jeder will noch hinaus kommen.

Ich bin gestartet. Das ist der Bergkamm, an dem ich entlang fliegen muss, bevor ich Richtung Meer nach links abdrehen kann.

Diesmal sehe ich das Massiv, dass ich umfliegen muss

Das ist der untere Startplatz auf 1650 Meter. Hier habe ich ausreichend Höhe, um das Massiv zu überfliegen…

… und ich sehe tief unter mir das Meer in der Abendsonne schimmern.

Ich fliege direkt in die tief stehende Sonne hinein.

Mit welchen Worten kann man das beschreiben?

Ich lege eine Punktlandung hin und lasse von zwei Spezialisten meinen Schirm einpacken. Danach kehre ich zum Wohnmobil zurück und stürze mich in die inzwischen menschenleere Lagune, um den Staub abzuwaschen. Die Sonne versinkt bereits hinter dem Horizont.

Ich muss noch schnell etwas fürs Abendessen einkaufen. Als ich zurück komme, ist es dunkel. Wir essen zu Abend und Annemarie geht zusammen mit den Kindern ins Bett, während ich noch die Erlebnisse des heutigen Tages niederschreibe.

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