Videofilmen

Ein paar Bemerkungen vorweg: Ich schreibe dieses Dokument im Dezember 1997 aus der Erinnerung. Es existieren keine Aufzeichnungen, auf die ich mich stützen könnte (außer ein paar eingeblendeten Terminen im Videobild). Deshalb möge man mir verzeihen, wenn die Chronologie der technischen Entwicklungen nicht vollständig oder in der falschen Reihenfolge wiedergegeben ist. Der Grund, warum ich dies hier niederschreibe: ich möchte helfen, Ihnen Anhaltspunkte geben, woran man denken sollte, bevor man sich für das eine oder andere Gerät entscheidet. Bei mir war es oft so, daß ich mich spontan für ein Ausrüstungsteil entschieden habe, ohne bestimmte Gesichtspunkte zu berücksichtigen. Zum Zeitpunkt der Anschaffung wußte ich meist nicht, auf welche Probleme ich bei der späteren Verwendung stoßen würde, und warum es besser gewesen wäre, doch ein anderes Gerät zu kaufen, oder die Anschaffung zu verschieben. Vom Verkäufer werden die Nachteile eines Produktes gerne verschwiegen.

Dieser Artikel wird ständig fortgesetzt. Mittlerweile ist aus dem einstigen Hobby über den Umweg der Softwareentwicklung eine berufsmäßige Tätigkeit geworden. Multimedia ist ein Mittel, mehr Informationen an den Empfänger zu bringen, als es mit reinen Textinhalten möglich ist. Das Transportmittel Internet wird bei diesem Prozess eine immer wichtigere Rolle spielen. Noch sind die Bänder zu schmal und die Kosten zu hoch, aber das wird sich ändern…

Inhalt

Die Faszination bewegter Bilder
Die erste eigene Videokamera: eine Fehlinvestition
Die erste VHS-Videoanlage mit Kamera
Nur Probleme mit den Akkus
Äußerst lichtschwach: die Vidicon-Kamera
Der Fortschritt: VHS-C und Newicon-Röhre
Die Ernüchterung folgte bei der Nachbearbeitung
Konsequenz: Aufgabe des Hobbys
Technische Weiterentwicklung
Mein Wiedereinstieg
Die Canon UC1: keine Kamera für den Schnittbetrieb
Das Schnäppchen: Sony V800E und Sony EVS-1000E für 3.000,-DM
Neues Problem: Die Nachvertonung
Schnittsteuerung mit dem PC
Eine neue Ära: Digitales Video
Verlustfreies Kopieren!
‚Offline Editing‘ oder ’nichtlinearer Videoschnitt‘
Meine Anlage für den nichtlinearen Schnitt
Nicht ganz einfach: die Installation
Überflüssig: CoMo ControlX
Die Enttäuschung: DV-Sidekick wurde gecancelt
Software-Codec Kontra Hardware-Codec
Endlich: der volldigitale Schnittplatz
Der kurze Traum von der völligen Zufriedenheit
Der Rechner ist zu langsam und zu klein!
Die Freude am Hobby läßt nach, wenn es zur Arbeit ausartet
Umstieg von DV-Master auf DV-Master pro
Der neue Videorechner
Speed Razor DV 3.51 ohne Gerätesteuerung!
DV-Master pro: Geld zum Fenster herausgeschmissen?
Meine Arbeitsweise
Schnittsoftware Speed Razor DV 4.7
Fazit

Die Faszination bewegter Bilder

Schon als Kind interessierte ich mich für die Möglichkeit, bewegte Bilder einzufangen und abzuspeichern. Mein Vater besaß eine Super-8 Kamera, ohne Tonteil, die er jedoch nur selten benutzte, da das Filmmaterial sehr teuer war. Ich kann mich noch daran erinnern, daß ich als Kind in einem Versandhauskatalog eine Kamera und einen riesigen Videorecorder zum Preis von ca. 50.000,-DM gesehen habe. Das war zu Zeiten, als ich noch Taschengeld von meinen Eltern bekam…

Die erste eigene Videokamera: eine Fehlinvestition

Viele Jahre später (es muß um 1980 gewesen sein), stieß ich in der Photoabteilung eines Kaufhauses auf ein Sonderangebot: tragbare S/W-Videoanlage mit Kamera für 999.-DM. Bei dem Recorder handelte es sich um ein Spulengerät von Bauer, die Kamera verfügte über eine S/W-Vidiconröhre und war über ein Kabel mit dem Recorder verbunden. Die kindliche Faszination ergriff mich wieder, schaltete meinen Verstand ab und ließ mich das Gerät kaufen. Es dauerte nicht lange, bis ich merkte, daß die Anlage eine völlige Fehlinvestition war: es gab nämlich keine Bänder zu kaufen. Außerdem war die Bildqualität sehr bescheiden. Ständige Dropouts (weiße Störstreifen im Bild) machten das Betrachten der Aufnahmen zur Quälerei. So vegetierte die Anlage einige Jahre in meinen Schränken herum und landete später auf dem Flohmarkt.

Die erste VHS-Videoanlage mit Kamera

Wieder ein paar Jahre später erschienen die ersten erschwinglichen VHS-Videosysteme auf dem Markt. Immer noch fasziniert von der Technologie, dauerte es nicht allzu lange, bis es mich in ein einschlägiges Fachgeschäft zog. Ich erwarb eine damals häufig verkaufte Komponentenanlage (ich glaube, sie war von Telefunken). Recorder und Tuner waren getrennt und als Rack übereinander aufzustellen. Dazu gehörte eine Farb-Vidiconkamera, die über ein Kabel mit dem Recorder verbunden wurde.

Nur Probleme mit den Akkus

Der Tuner diente gleichzeitig als Ladestation für die riesigen NC-Akkus. Was ein Memory-Effekt ist, und wie man mit NC-Akkus umgehen muß, lernte ich recht schnell kennen: bereits nach ca. zwei Wochen hatte ich meinen ersten Akku zerstört. Ich begriff, daß man den Einsatz der Videoanlage von langer Hand planen und vorbereiten muß. Da die Akkus nicht geladen aufbewahrt und auch nicht nachgeladen werden durften, sollte man sie erst unmittelbar vor der Verwendung laden – was einen kreativen, spontanen Einsatz der Anlage aus praktischen Gründen ausschloß.

Äußerst lichtschwach: die Vidicon-Kamera

Charakteristisch für die damals im Konsumerbereich üblichen Vidiconkameras waren die Lichtstreifen, die sich über den Bildschirm zogen, wenn man über eine Lichtquelle schwenkte. Die Aufnahmeröhre saugte das Licht förmlich in sich auf und wollte es nur ungern wieder hergeben. Hell konnte es für die Kamera nicht genug sein. Selbst mittags im Hochsommer, bei strahlendem Sonnenschein, war das Bild nur mäßig ausgeleuchtet. Aufnahmen in Innenräumen setzten mehrere 1000W-Scheinwerfer voraus. Diese entwickelten eine wahnsinnige Hitze und blendeten schrecklich. Deshalb war das Publikum meist nicht besonders begeistert, wenn jemand sein Video-Equipment aufbaute.

Immerhin konnte man damals noch so manchen Zeitgenossen damit begeistern, daß er sich hinterher im Fernsehen sah. Videoanlagen waren halt noch nicht in jedem Haushalt vorhanden…

Der Fortschritt: VHS-C und Newicon-Röhre

Das im wahrsten Sinne des Wortes gewichtigste Argument, die VHS-Anlage nicht auf Ausflüge mitzunehmen, war eben das Gewicht des Recorders. Dies müssen auch die Hersteller erkannt haben, denn kurze Zeit später erschienen die ersten VHS-C Geräte auf dem Markt. Sie waren wesentlich kompakter als die Vollformat-Recorder. Auch in der Aufnahmeröhrentechnik hatte sich einiges getan: Nach den Vidicon-Röhren kamen die Saticon- und danach die Newicon-Röhren auf den Markt. Die Lichtempfindlichkeit stieg und der Nachzieheffekt war reduziert. Für mich war es mal wieder an der Zeit, die Anlage zu modernisieren. Ich kaufte mir ein VHS-C Gerät mit Newicon-Kamera. Recorder und Kamera waren immer noch separat und per Kabel verbunden, aber immerhin bereits tragbar. Damit konnte man einigermaßen arbeiten. Gemessen an heutigen Maßstäben war die Bildqualität immer noch bescheiden, aber damals war die Newicon-Röhre eine kleine technische Revolution. Im Laufe der Zeit schaffte ich einiges Zubehör an: Zusatzakkus, Stative, einen Dolly, 10m Verlängerungskabel für die Kamera, u.s.w.. Ich begann damit, meine Videoanlage gewerblich zu verwenden. Ich erstellte einige Hochzeitsfilme, bis ich erkannte, daß der Aufwand das Resultat nicht rechtfertigte. Vorbesprechung, Drehtag , Nachbearbeitung…

Die Ernüchterung folgte bei der Nachbearbeitung

… apropos Nachbearbeitung. Man spricht zwar vom Schneiden, aber bei Video werden die Szenen hintereinander kopiert. Der fertige Film liegt also bestenfalls in der ersten Kopie des Originals vor. Die Qualität des Resultates empfand ich, gemessen am investierten Zeitaufwand, enttäuschend.

Konsequenz: Aufgabe des Hobbys

Irgendwann hatte ich die Lust am videografieren verloren. Mittlerweile hatte ich einige Hochzeitsfilme, Dokumentationen und private Filme erstellt, aber die Bild- und Tonqualität mißfiel mir dermaßen, daß ich beschloß, das Hobby und die gewerbliche Tätigkeit aufzugeben. Ich verkaufte die komplette Anlage. Das war ungefähr 1984.

Technische Weiterentwicklung

Was sich in der Videotechnik nach meinem Ausstieg alles veränderte, bekam ich nur am Rande mit. Hier im Zeitraffer aus meiner (unvollkommenen) Sicht, was sich während meiner Abstinenz am Markt tat:

  • Es kamen Konsumerkameras in Dreiröhrentechnik auf den Markt. Sie waren mit Newicon-Röhren ausgestattet. Für jede der drei Sprektalfarben stand eine eigene Röhre zur Verfügung. Das Licht wurde mit Hilfe eines Prismas in seine Farbbestandteile aufgespaltet.
  • Im Laufe der Zeit wurden die Röhren durch Halbleiterchips ersetzt. Diese benötigten weniger Platz in der Kamera, was zur Folge hatte, daß die Kameras kleiner wurden. Gleichzeitig stieg die Lichtempfindlichkeit und der Nachzieheffekt der Aufnahmeröhren verschwand vollständig. Außerdem standen diese Geräte nach dem Einschalten schneller zur Verfügung, denn die Röhrengeräte benötigten einige Zeit zum Aufheizen.
  • Dadurch, daß die voluminösen Aufnahmeröhren aus den Kameras verschwanden, wurde Platz geschaffen für die Mechanik des Recorders. Plötzlich verschwanden die Umhängerecorder vom Markt und die Camkorder erschienen in den Regalen der Fachgeschäfte.
  • Konkurrierend zum VHS-C Standard erschien ein neues Bandformat: Video 8. Die Kassetten waren kleiner und hatten eine längere Spieldauer.
  • Aus Mono wurde Stereo. Es erschienen Geräte auf dem Markt, die den Originalton in Stereo aufzeichnen konnten, später sogar in HiFi-Qualität. Dabei wurde der Ton, wie das Bild im Schrägspurverfahren nebeneinander aufgezeichnet. Die Tonköpfe erreichten eine höhere relative Bandgeschwindigkeit, die eine größere Dynamik des Signals erlaubten.
    Bei der Nachbearbeitung eines Videofilms ging die gute Tonqualität jedoch größtenteils wieder verloren, denn die Nachvertonung wirkte nur auf die herkömmlichen Längstonspuren.
  • Die Aufnahmetechnik entwickelte sich weiter. Super-VHS (SVHS) und Hi8-Geräte kamen auf den Markt. Sie versprachen eine bessere Bildqualität. Erreicht wurde das durch die Trennung des Videosignals in die Bestandteile Chrominanz und Luminanz (Helligkeit und Farbe). Die heute noch gebräuchlichen S-Videostecker, Hosidenstecker genannt, erschienen auf dem Markt. Nach und nach wurden auch die Fernseher S-Video tauglich.

Mein Wiedereinstieg

1992 sollte mein Junggesellendasein zu Ende sein. Nachdem ich Annemarie während einer Wohnmobilreise in Griechenland kennengelernt hatte und fest stand, daß sie zu mir zieht, wollte ich den neuen Lebensabschnitt auch dokumentieren und kaufte mir eine sehr kompakte Hi8-Kamera, die Canon UC1. Die Bildqualität war, gemessen am Standard, der mich acht Jahre zuvor zur Aufgabe des Hobbys veranlaßte, hervorragend.

Die Canon UC1: keine Kamera für den Schnittbetrieb

Aus dieser Zeit gibt es eine Menge (für mich) interessanter Originalaufnahmen, jedoch keinen geschnittenen Film, denn die Ernüchterung kehrte zurück, als ich erneut begann, mich mit der Videonachbearbeitung zu beschäftigen.

Sony RM E500

Ich kaufte mir ein Schnittsteuergerät, das Sony RM E500, welches die Kamera über Lanc und den Aufnahmerecorder über Lanc oder Infrarot steuern konnte. Ich begann damit meine Filme zusammenzuschneiden und machte eine Bauchlandung. Die Kamera, so stellte sich schnell heraus, war dem heftigen Rangierbetrieb, den das Schnittsteuergerät von ihr forderte, nicht gewachsen. Sie reagierte äußerst widerwillig auf die Spulbefehle und der Bandzähler war so ungenau, daß bereits die dritte Szene einer Schnittfolge weit neben der eigentlich gewünschten Szene lag. Außerdem war das qualitative Ergebnis des Schnitts wiederum enttäuschend, denn der Normal-VHS-Recorder, den ich als Aufnahmegerät einsetzen wollte, machte das schöne Bild der Videokamera völlig zunichte.

Erst aus der Bedienungsanleitung des Schnittsteuergerätes erfuhr ich, daß eine weitere Technologie in den Konsumerbereich Einzug gehalten hatte: der Timecode. Dabei wird jedes einzelne Videobild mit einer eindeutigen Numerierung versehen. Schnittsteuergeräte bekommen diesen Code übermittelt und sind so nicht mehr auf den ungenauen Bandzähler angewiesen. Mit Hilfe von Timecodes konnte man bildgenau schneiden. Allerdings setzte das eine timecodefähige Videokamera voraus…

Das Schnäppchen: Sony V800E und Sony EVS-1000E für 3.000,-DM

Sony V800E

Ich kaufte alle Videozeitschriften, die ich finden konnte und fand heraus, daß es bestimmte Videogeräte auf dem Markt gab, die unter Insidern als ‚Geheimtip‘ gehandelt wurden. Ich begann damit, alle Gebrauchtgeräteanzeigen auf diese Geheimtips hin zu durchsuchen. Und tatsächlich: ich hatte Glück. Ich fand eine Kleinanzeige, in der jemand genau die beiden Geräte verkaufte, die auf meinem Wunschzettel ganz oben standen: Die legendäre Hi8-Kamera Sony V800E und den HI8-Recorder EVS-1000E. Ganze 3.000,-DM wollte der Verkäufer für die beiden, fast neuen Geräte haben – mit Garantie, Kaufbelegen, etc.. Innerhalb weniger Stunden war der Handel perfekt und ich war im Besitz eines neuen Geräteparks.

Beim Schneiden konnte ich innerhalb eines Videosystems bleiben. Die Bildqualität der ersten Kopiergeneration unterschied sich nur noch unwesentlich von der des Originals. Ich konnte – im Gegensatz zur VHS-Fraktion – in HiFi-Stereo nachvertonen, denn zusätzlich zum Schrägspurton bot der EVS-1000E einen digitalen PCM-Ton. Und der konnte auch nachträglich aufgespielt werden.

Neues Problem: Die Nachvertonung

Als Nachteil stellte sich im Laufe der Zeit allerdings heraus, daß es nicht möglich war, den Originalton während der PCM-Nachvertonung abzunehmen, um ihn abgemischt wieder zuzuspielen. Im Prinzip gab es für die Nachvertonung zwei Möglichkeiten:

  • Man konnte den Originalton unverändert belassen und auf die PCM-Spuren eine leichte Musikuntermalung zuspielen. Bei der Wiedergabe wäre dann der Mix-Modus der beiden Tonspuren einzustellen gewesen. Dabei mußte man beachten, das die PCM-Spur vor der Nachvertonung vollständig gelöscht wurde, denn sonst bekam man einen unangenehmen Doppelklang des Originaltones an den nicht nachvertonten Passagen (beim Schnitt wurde der O-Ton auf Schrägspur- und PCM-Tonspur aufgezeichnet, bei der Wiedergabe wurden die beiden Spuren leicht zeitversetzt abgespielt). In der Praxis erwies sich diese Art der Tonbehandlung als unbrauchbar, denn der Originalton ließ sich in seiner Lautstärke nicht beeinflussen. Es war also nicht möglich, das Verhältnis zwischen O-Ton, Musik und Kommentar zu verändern. Damit schied für mich dieses Verfahren aus.
  • Die zweite Möglichkeit war die aufwendigere. Man mußte den Originalton auf Kassette zwischenspeichern, um ihn anschließend lippensychron und mit Kommentaren und Musik abgemischt auf die PCM-Spur aufzuzeichnen. Bei der Wiedergabe wurde der Schrägspurton abgeschaltet und nur der PCM-Ton wiedergegeben. Welchen Aufwand diese Form der Ton-Nachbearbeitung erfordert, kann jeder nachvollziehen, der ähnliches ausprobiert hat:
  • Der Aufnahmevideorecorder steht auf Nachvertonungs-Pause, der CD-Player steht am Start des gewünschten Musikstücks auf Pause, der Kassettenrecorder mit dem O-Ton steht exakt am Beginn der nachzuvertonenden Passage auf Pause (es war nicht so einfach, diese Bandstelle genau zu bestimmen) und der Kassettenrecorder mit dem zuzuspielenden Kommentar steht ebenfalls auf Wiedergabepause. Die Pegel der einzelnen Tonquellen sind am Mischpult eingestellt, jedoch muß unmittelbar nach Beendigung des Kommentars die Musik- und Originaltonspur hoch- und die Kommentarspur abgeregelt werden. Nun sind alle vier Aufnahme- und Wiedergabegeräte absolut gleichzeitig zu starten…

Mittlerweile war also die Bildqualität gut, aber das Resultat krankte aber Ton.

Schnittsteuerung mit dem PC

Als Nachteil des Schnittsteuergerätes RM E500 kristallisierte sich im Laufe der Zeit die fehlende Speichermöglichkeit heraus. In das Gerät konnten zwar 99 Schnitte eingegeben, diese jedoch nicht abgespeichert werden. Also legte ich mir die Schnittsteuersoftware Video Director von Gold Disk in der Version 1.0 zu. Ich begann damit, meine ganzen Originalaufnahmen szenenweise zu katalogisieren und mit Hilfe der Software zu katalogisieren. Ich verbrachte viel Zeit mit dieser Tätigkeit – genutzt habe ich das Archiv nie, weil sich die Steuerung des Aufnahmerecorders über Infrarot (eine andere Möglichkeit bot die Software nicht) als unzuverlässig herausstellte. Ungefähr einen von 30 Steuerbefehlen ließ der Recorder beim Schnitt aus. Das Resultat war, daß der Recorder zwischendurch Szenen aufnahm, an denen er eigentlich hätte auf Pause stehen müssen.

Eine neue Ära: Digitales Video

Mein Interesse am Videografieren flachte mit der Zeit ab. Es gab Urlaube, da hatte ich die Kamera zwar dabei, jedoch nicht einmal benutzt. Der mit der Nachbearbeitung verbundene Aufwand war mir mit der Zeit einfach zu groß. Im Bewußtsein, daß die Aufnahmen ohnehin nicht mehr weiterverarbeitet wurden, machte mir das Filmen keinen Spaß. Die Wende kam ein halbes Jahr nach Sarahs Geburt im Herbst 1996. Ich beschloß, mir eine digitale Videokamera zuzulegen. Der Auslöser dazu war eine kleine Erbschaft von 3.500.-DM, die ich für diesen Zweck investieren wollte. Seit Sarahs Geburt war meine inzwischen in die Jahre gekommene V800E wieder häufiger im Einsatz. Ihr Bild war jedoch merklich schlechter (unschärfer) geworden, oder bildete ich mir das nur ein? Außerdem wünschte ich mir eine längere Lebensdauer der Aufnahmen von Sarah. Schließlich sollten sie auch in 20 Jahren noch in guter Qualität anzusehen sein.

Ich hatte die Wahl zwischen den Sony Kameras VX700 und VX1000. Die VX700 kostete genau die 3.500.-DM, die ich für diesen Zweck budgetiert hatte; die VX1000 (in Dreichiptechnik) das doppelte. Ich entschied mich für die VX700. Es war wiederum ein Quantensprung in der Bildqualität. Ich empfand das aufgezeichnete (!) Videobild als der Fernsehqualität überlegen.

Verlustfreies Kopieren!

Nun galt es, meine Anlage sukzessive auf die neue Technologie umzurüsten. Ich informierte mich gründlich, um nicht wieder aufs falsche Pferd zu setzen. Das Ergebnis meiner Recherche ergab, daß es zum damaligen Zeitpunkt nur zwei Kameras mit digitalem Videoausgang gab, die VX700 und die VX1000 von Sony. Mit der Entscheidung für eine der beiden Kameras hatte ich diesmal nicht falsch gelegen. Der digitale Ausgang, eine normierte Schnittstelle namens IEEE 1397 (auch Firewire genannt), sollte die Möglichkeit bieten, Audio- und Videodaten verlustfrei kopieren zu können. Verlustfrei – dieses Wort schmolz mir auf der Zunge und nistete sich in meinem Kopf ein. Kopieren setzte allerdings ein Wiedergabe- und ein Aufnahmegerät voraus. Letzteres gab es (und gibt es bis heute, 2.3.98) nur eines auf dem Konsumermarkt: den Sony DV-Recorder DHR-1000VC zum stolzen Preis von 7.500,-DM. Nach reiflicher Überlegung kaufte ich das Gerät (die ausschlaggebende Überlegung war, dieses Gerät im Rahmen einer gewerblichen Tätigkeit einsetzen zu können). Die Kombination aus digitaler Kamera und digitalem Aufnahmerecorder stellte alles zuvor Dagewesene völlig in den Schatten. Jetzt konnte man sich eine neue Arbeitsweise bei der Videobearbeitung zulegen. Es spielte keine Rolle mehr, ob eine Szene drei- oder viermal kopiert wurde. Man konnte sich eigene Szenenarchive anlegen, auf denen man besonders wertvolle Aufnahmen für die spätere Verwendung sammelte. Mein altes Schnittsteuergerät Sony RM E500 kam wieder zu Ehren: es übernahm die Steuerung des Schnitts. Zwar lassen sich im DHR-1000VC zehn Schnitte speichern, aber wenn man das Schnittsteuergerät ohnehin bereits besitzt, kann man es auch verwenden. Der DV-Timecode ist kompatibel zum RC-Timecode des Hi8-Systems.

Auf der Audioseite bietet der Sony Recorder zwei mal zwei Stereospuren, im Prinzip genauso viel wie der Hi8-Recorder (Schrägspuren und PCM-Spuren). Bei der Nachvertonung boten sich also die gleichen zwei Vorgehensweisen an, wie ich sie bereits beschrieben habe. Allerdings gab es beim Digitalrecorder eine Besonderheit: Bei der Wiedergabe konnte ich den Pegel der Spuren beeinflussen. Also ging ich dazu über, den Originalton zu belassen und die Musikuntermalung auf die anderen beiden Spuren zu legen. Bei der Wiedergabe pegelte ich die Gesamtlautstärke auf das richtige Verhältnis ein.

‚Offline Editing‘ oder ’nichtlinearer Videoschnitt‘

Wer sich etwas mit Videotechnik befaßt und auch die eine oder andere Fachzeitschrift liest, kommt am Thema ‚Videoschnitt mit dem Computer‘ nicht vorbei. Bei mir war das Thema ohnehin von Anfang an beruflich vorbestimmt und die Anschaffung einer entsprechenden Anlage bereits eingeplant.

Unterschied Online/Offline oder Linear/Nichtlinear

Es gibt drei prinzipielle Verfahren beim Videoschnitt:

  • Beim Online-Verfahren wird das Bild- und Tonsignal direkt vom Zuspieler auf den Aufnahmerecorder übertragen. Dabei kann es durch verschiedene Misch- und Effektgeräte geschleust werden, die das Signal bearbeiten und vermischen. Das Signal wird jedoch nirgends zwischengespeichert, sondern landet in Echtzeit auf dem Zielband. Der Vorteil dieses Verfahrens besteht vor allem darin, daß es keine Rechenzeit erfordert und deshalb sehr schnell ist. Der Nachteil liegt im wesentlich höheren Preis für derartige Systeme. Ein weiterer Nachteil: für die Überblendung zweier Szenen ineinander benötigt man zwei Zuspieler und ein Aufnahmegerät. Ein typischer Vertreter dieser Gerätekategorie ist die Videomachine von Fast Electronics.
  • Der Offline-Schnitt erfolgt im Computer. Dabei wird zunächst das Originalmaterial (engl. Footage) in den Computer eingelesen und dort gespeichert. Danach wird es auf eine Timeline aufgetragen, wobei Bild und Ton beliebig gekürzt und verändert werden können. Die Szenen werden in die gewünschte Reihenfolge gebracht und mit Effekten und Überblendungen versehen. Während der Arbeit kann man mit verschiedenen Vorschaumöglichkeiten (kleineres Bild, weniger Auflösung) das Ergebnis kontrollieren. Am Ende der Bearbeitung wird ein neuer Film errechnet und wieder auf Video ausgegeben. Vorteile dieses Verfahrens: keine mechanische Abnutzung der Zuspieler, nur ein Recorder für Wiedergabe und Aufnahme erforderlich. Der wichtigste Vorteil ist, daß man mit diesem Verfahren alles machen kann, was man möchte. Bild und Ton lassen sich bis aufs i-Tüpfelchen ausfeilen (natürlich in den Grenzen, die das Originalmaterial erlaubt). Die zwei größten Nachteile liegen zum Einen im relativ hohen Preis, den man für ein leistungsfähiges System bezahlen muß, zum Anderen in der langen Rechenzeit, die man benötigt, bis man seine Aufnahmen fertig hat.
  • Das dritte Verfahren ist der Hybritschnitt. Dieser wird vor allem von preiswerten Home-Editingsystemen verwendet. Im Prinzip handelt es sich dabei um ein Schnittsteuersystem, welches einen Zuspieler und einen Aufnahmerecorder benötigt. Um trotzdem eine Szenenüberblendung herstellen zu können, wird das letzte Bild der auslaufenden Szene im internen Speicher des Systems eingefroren und langsam gegen den neuen Szenenbeginn ausgeblendet. Dieses Verfahren ist technisch einfach und reicht in vielen Fällen völlig aus.

Meine Anlage für den nichtlinearen Schnitt

Ich entschied mich für den Offline-Schnitt. Eine derartige Anlage benötigt folgende Komponenten:

  • Einen leistungsfähigen Rechner. Zu diesem Zweck schaffte ich einen Siemens-Nixdorf Scenic Miditower PC an. Damit er sich in die bestehende Hifi- und Videoanlage integrieren lies und Annemarie das Gerät im Wohnzimmer akzeptierte, wählte ich als Gehäusefarbe schwarz. Tastatur, Maus und Monitor sind ebenfalls schwarz. Dieses Gerät bestückte ich mit 80MB Hauptspeicher. Von Haus aus verfügte der PC über einen EIDE-Controller und eine 1,5GB Festplatte. Für die Systemdateien sollte das ausreichen. Im Büro konnte ich das Gerät aufgrund chronischen Platzmangels nicht platzieren. Außerdem fehlten mir die restlichen, zu diesem Zweck erforderlichen Geräte wie CD-Player, Fernseher als Kontrollmonitor…
  • Für die Videodateien benötigt man große und schnelle Festplatten. Ich bestückte den Rechner mit einem Ultra-Wide-SCSI-Controller und drei AV-fähigen 4GB UW-Festplatten. Dabei kalkulierte ich folgendermaßen: 4GB Rohmaterial, 4GB Audiodateien, Projekt- und Titeldateien, 4GB für fertige Sequenzen.
  • Die eigentliche Schnittstelle zwischen Videorecorder und PC besteht in der Videoschnittkarte. Sie digitalisiert das eingehende Video- und Audiosignal und bereitet es PC-gerecht auf. Bei der Wiedergabe erzeugt sie aus dem Datenstrom wieder Bild und Ton, die vom Videorecorder aufgezeichnet werden können. Als ich meine Anlage zusammenstellte, gab es noch keine Videoschnittkarte für das DV-System. Eine derartige Karte hätte über einen Firewireeingang verfügen müssen. Analoge Systeme gab es dagegen mehrere: in der Hauptsachen interessierten mich die miro DC30 oder der AV-Master von Fast Electronics. Andere Karten kamen nicht in Frage, denn diese waren nicht busmasterfähig und schieden wegen zu geringer Datenübertragungsgeschwindigkeit aus (eine busmasterfähige PCI-Karte übernimmt die Kontrolle des Datentransfers zur Festplatte und belastet damit nicht den Prozessor des PCs).

Nachdem ich einige Fachartikel und Produktankündigungen studiert hatte, glaubte ich in der AV-Master das richtige Produkt gefunden zu haben. Erstens verfügte der Hersteller Fast über ausreichend Erfahrung in der Videotechnik, denn Screenmachine und Videomachine sind seit langem Standardbegriffe in der Videotechnik. Zweitens hatte Fast zu diesem Zeitpunkt bereits eine digitale Zusatzkarte zum AV-Master mit dem Namen DV-Sidekick angekündigt. Ich erstand die Karte bei der Firma CoMo im Bundle mit dem Schnittsteuersytem ControlX. Das Paket trug den Namen AV-Power Pack. Der Vorteil des Bundles sollte die Möglichkeit der Mischverarbeitung aus einfacher Schnittsteuerung und nichtlinearer PC-Bearbeitung sein. Das bedeutet, Szenen, die mit Effekten oder Überblendungen versehen werden sollten, wären am PC zu bearbeiten gewesen, der Rest hätte direkt von Kamera zu Recorder geschnitten werden können.

Nicht ganz einfach: die Installation

Obwohl ich in Computerdingen kein Laie bin, dauerte es einige Zeit bis die Anlage ordentlich funktionierte. Die Ursache für die anfänglichen Probleme lagen in einem gemeinsam genutzten Speicherbereich, den Videoschnittkarte und Grafikkarte für sich beanspruchen wollten. Schließlich konnte ich meinen ersten Videofilm offline schneiden. Bei der Bildqualität hatte ich einen kleinen Rückschritt in Kauf genommen, denn das digitale Signal wurde auf dem Weg in den Computer und bei der Ausgabe in ein Analogsignal umgewandelt. Dafür konnte ich mich beim Ton richtig kreativ ausleben. Beim Offline-Schnitt ist es nämlich möglich, die Bilder nach der Musik zu schneiden. Man legt erst eine Musikpassage auf die Timeline und paßt zur Musik passende Bildsequenzen ein.

Überflüssig: CoMo ControlX

Das im Bundle mit dem AV-Master erworbene ControlX erwies sich als Fehlkauf. Die Treiber waren absolut fehlerhaft und arbeiteten überhaupt nicht mit der Schnittkarte zusammen. Während der gesamten Zeit, in der ich aktiv mit dem AV-Master arbeitete, wartete ich auf funktionierende Treiber, um zum Beispiel auch das angekündigte Batch-Digitizing durchführen zu können. Da das nicht funktionierte, hätte ich Szene für Szene am Zuspieler einstellen müssen um den Digitalisierungsvorgang manuell zu starten und zu stoppen. Hier kam mir die Möglichkeit des verlustfreien Kopierens per Firewire zur Hilfe. Mit dem Schnittsteuergerät RM E500 stellte ich die Szenen zusammen, die im späteren Film verarbeitet werden sollten. Das Ergebnis dieses Grobschnitts war ein neuer Rohfilm, der komplett in den PC eingelesen werden konnte. Dort trennte ich die Szenen wieder in die einzelnen Sequenzen und stellte den Film endgültig zusammen. Jetzt wartete ich nur noch auf den angekündigten DV-Sidekick. Er sollte zur CeBit ’97 erscheinen.

Mittlerweile bereute ich, nicht die VX1000 gekauft zu haben. Ich schieb die VX700 zum Verkauf aus und beschaffte mir für den professionellen Einsatz im Multimediabereich die Dreichipkamera. Die Aussicht auf einen lukrativen Auftrag gab letztendlich den Ausschlag zu dieser Investition.

Die Enttäuschung: DV-Sidekick wurde gecancelt

Die große Enttäuschung, nicht nur für mich, sondern für alle AV-Master-Anwender, die auf DV-Sidekick gewartet hatten, kam auf der CeBit. Fast Electronics stellte mit großem Getöse eine PC-Steckkarte mit Firewireeingang unter dem Namen DV-Master vor. Diese Karte war keine Erweiterung des AV-Master, sondern ein völlig unabhängiges Produkt. Von DV-Sidekick wollte keiner am Fast-Stand etwas gewußt haben. Der Clou war der Preis: der DV-Master sollte 5.700,-DM kosten. Fast wollte ein Upgradeangebot für alle AV-Master-Anwender herausbringen, das ungefähr 700,-DM Preisnachlaß auf die DV-Master bringen sollte. Gleichzeitig stellte miro eine Karte vor, die nur ca. 1.500,-DM kosten sollte und auch über einen Firewireeingang verfügte. Diese Karte war aber nur angekündigt, sie gab es noch nicht zu kaufen. Also blieb ich zunächst bei meiner AV-Master, denn nochmals 5.700,-DM auszugeben war mir zu viel.

Software-Codec Kontra Hardware-Codec

Das Studium einiger Fachzeitschriften und Newsgroups vermittelte mir das erforderliche Hintergrundwissen, um die erheblichen Preisunterschiede der verschiedenen DV-Schnittkarten verstehen zu können. Das Problem bestand in der Umrechnung der Videodaten vom DV-Format in das PC-Format und zurück. Dieser Vorgang konnte auf zwei grundsätzlich unterschiedliche Weisen bewerkstelligt werden. Zum Einen gab es die Möglichkeit, dies von einer Software erledigen zu lassen. Dieses Verfahren war billig, denn die Karte benötigte keinen Spezialchip. Der größte Nachteil bestand darin, daß es keine Möglichkeit gab, der bearbeiteten Film während des editierens auf dem Fernseher zu betrachten, denn er mußte stets erst umgerechnet und auf Video ausgegeben werden, bevor man ihn ansehen konnte. Die andere Möglichkeit war ein Spezialchip, den Sony sich mit ca. 2.700,-DM pro Exemplar bezahlen ließ. Der Chip war in der Lage, die Umwandlung der Daten in Echtzeit vorzunehmen. So konnte man direkt während der Arbeit das Resultat am angeschlossenen Bildschirm betrachten. Auf der DV-Master war ein derartiger Hardware-Codec implementiert, deshalb der hohe Preis für die Karte. Mir wurde bald klar, daß ich lieber etwas länger warte und mich gleich für eine Karte mit Hardware-Codec entscheide, bevor ich wieder mit der billigeren Lösung herumexperimentierte und am Schluß erst die teure Karte kaufe.

Endlich: der volldigitale Schnittplatz

Mitte 1997 war es soweit: ich kaufte einen DV-Master um 5.000,-DM. Gleichzeitig fand ich jemand, der mir den AV-Master für knapp 1.000,-DM abkaufte, so dass sich die Investition unterem Strich als nicht ganz so hoch erwies. Im Sommer 97 erweiterte ich meine Ausrüstung um einen digitalen Fotoapparat, die Kodak DC120. Dieses Gerät setzte ich vor allem in der Webseitengestaltung ein. Kurz vor Weihnachten kam noch eine Sony PC7 als private Zweitkamera hinzu. Dieses Gerät ist so kompakt, dass man es immer dabei haben kann. Ein vollwertiger Ersatz für die nunmehr professionell eingesetzte VX1000 ist es nicht.

Der kurze Traum von der völligen Zufriedenheit

Voller Freude schnitt ich meine ersten Filme auf der Anlage. Endlich spielte der Faktor ‚Zeit‘ bei der Nachvertonung keine Rolle mehr. Jetzt konnte ich problemlos an einer Szene so lange so lange herumprobieren, bis sie saß; optisch und akustisch. Keine Pegelsprünge mehr, reizvolle Übergänge… Ich mußte mich sehr bemühen, um nicht den Fehler zu machen, dem fast alle Neulinge des Offline-Schnitts verfallen: der Effekthascherei. In diesem Bereich zeichnet sich der Profi durch Selbstbeschränkung aus. Nichts ist nerviger, als ein Film, in dem alle Register der Schnittsoftware gezogen wurden. So entstanden einige kleinere Projekte, die ich vor allem erstellte, um mich in die Materie einzuarbeiten.

Wer, wie ich damals, glaubt, jetzt sei alles in Ordnung, ist, wie ich damals, auf dem Holzweg. Nach unserem Peloponnes-Urlaub 1997 begann ich meiner ersten größeren Film mit der Anlage zu erstellen.

Der Rechner ist zu langsam und zu klein!

Dieses Problem kennt jeder, der sich schon mal einen Computer gekauft hat: sobald man ihn hat, ist er zu klein. Und das wurde mir bei der Arbeit an dem Urlaubsvideo bewußt. Der Aufbau dieses Films zeugt vom Hauptproblem: eine thematisch zusammenhängende Sequenz durfte nicht länger als 9 Minuten sein. Spätestens nach dieser Zeit war eine Ausblendung nach Schwarz angesagt, denn die Festplatte war annähernd voll und mußte auf das Zielvideoband überspielt werden. Bei einer fixen Datenrate, wie sie beim DV-Format vorliegt, nämlich 3,6MB/s, kann eine 4GB-Festplatte maximal 18 Minuten Film aufnehmen. Dies ist jedoch ein theoretischer Wert, denn, wie sich im Laufe der Zeit herausstellte, bricht die Datenübertragungsrate bei Festplatten mit zunehmendem Füllungsgrad dramatisch ein, so daß es sehr schnell zu dropped Frames kommt. Dieser Begriff beschreibt den Umstand, daß die Hardware die Daten für die erforderliche Bildfolge nicht mehr schnell genug liefern kann. Es werden einzelne Bilder (Frames) ausgelassen. Das Bild beginnt zu rucken und Bild und Ton laufen im Extremfall auseinander. Längere Aufnahmen waren aber auch aus einem anderen Grund nicht möglich: das unter Windows verwendete AVI-Dateiformat erlaubte nur eine maximale Dateigröße von 2GB, d.h. 9 Minuten. Außerdem stellte sich bei der Arbeit heraus, daß sich selbst bei genauester Vorarbeit ungefähr doppelt so viel Quellmaterial auf den Platten befindet, wie fertig geschnittener Film. Das bedeutet: für 9 Minuten fertigen Film lagern rund 30 Minuten Videomaterial auf den Platten. Berücksichtigt man den Geschwindigkeitseinbruch, so muß man diese 30 Minuten auf die zur Verfügung stehenden 3 mal 4GB-Platten verteilen und der Rechner ist voll.

Als fast noch schlimmer empfand ich die quälend langen Zeiten, die der Computer zum Berechnen der Szenen benötigte. An einer fünfminütigen Sequenz rechnete er fast eine halbe Stunde. Jede Änderung bedeutete erneutes Rechnen. Das Ergebnis war qualitativ perfekt – besser als vom Fernsehen gewohnt, aber der Aufwand war immens – für einen professionellen Einsatz zu hoch.

Nach Fertigstellung des Urlaubsvideos zog ich Bilanz: Um fünf Minuten fertigen Film herzustellen, investierte ich einschließlich Materialsichtung und Grobschnitt ca. fünf Stunden Arbeit.

Das einstige Hobby vermischt sich mit dem Beruf und wird zur Arbeit

Bedingt durch diese Probleme war die Hemmschwelle, etwas Neues zu beginnen und professionelle Aufträge anzunehmen, sehr hoch. Ich experimentierte mit der Anlage noch eine Weile herum, aber mittlerweile waren neue Prozessor- und Rechnergenerationen auf dem Markt.

Der Scenic-PC wurde zum Testrechner degradiert. Auf ihm teste ich Entwicklungsprojekte hinsichtlich ihrer Performance auf schwachbrüstigen Rechnern. Die SCSI-Festplatten habe ich mittlerweile ausgebaut. Für Videoschnittaufgaben ist er nicht mehr ausgelegt.

Umstieg von DV-Master auf DV-Master pro

Ein Problem, mit dem jedes nichtlineare Schnittsystem zu kämpfen hat, ist die maximale Dateigröße von 2GB für AVI-Dateien unter Video for Windows. Auf der CeBit 98 stellte Fast das erste Schnittsystem vor, das dieses Manko umgeht, indem es mit einem anderen Dateisystem arbeitet. Besser noch: dieses Schnittsystem arbeitet auch intern mit dem nativen DV-System, es war also keinerlei Formatumwandlung mehr erforderlich. Die resultierende Bildqualität sollte noch besser sein. Vor allem in den Übergängen war keine Veränderung zwischen Original und errechneter Kopie feststellbar. Die Software, die dies möglich macht, heißt Speed Razor DV und sollte wenige Wochen nach der CeBit verfügbar sein. Ich orderte noch auf der Messe.

Bis Fast tatsächlich auslieferte, sollten noch einige Monate vergehen. Einzig der Umstand, daß ich ohnehin keinen Rechner hatte, in den ich die DV-Karte hätte einbauen können, ließ mich geduldig warten. Im Spätsommer 1998 war es dann soweit: Die Lieferung von Fast traf ein. Spätestens jetzt war auch ein neuer PC fällig.

Der neue Videorechner

Mittlerweile war es Herbst 1998. Mit der ersten Bestellung des neuen Rechners hatte ich Pech. Der Lieferant SEH hatte große Qualitätsprobleme, so daß er den Rechner samt Zubehör nach mehreren vergeblichen Nachbesserungsaktionen zurücknehmen mußte. Ich hatte genaue Vorstellungen, aus welchen Komponenten das Gerät bestehen sollte und fand dann in der Firma cogito einen kompetenten Händler, der mir meinen neuen Mutimedia-Entwicklungsrechner baute.

Die wichtigsten Daten der Hardware:

  • Dual-Pentium II 400MHz mit Asus P2BDS-Mainboard, U2W-SCSI onboard,
  • 3-Kanal Raid-UW-SCSI Controller,
  • 512MB Ram,
  • 8GB UW-SCSI System- und Softwarefestplatte,
  • 2x4GB UW-SCSI Festplatten für Sicherungsimages und temp. Dateien,
  • 2x18GB UW-Festplatten, Raid 0-Verband als ein logisches 36GB-Laufwerk für Video- und Audiodaten,
  • 2 x Elsa Gloria Synergy Grafikkarten an 2 x 21″-Monitoren für Dual-Monitor-Betrieb unter Windows NT,
  • CD-Rom und CDRW-Recorder,
  • SCSI-ZIP-LW,
  • SCSI DDS3-DAT-Laufwerk

Speed Razor DV 3.51 ohne Gerätesteuerung!

Wie sollte es auch anders sein? Auch diese Lösung war noch nicht perfekt. Die Software Speed Razor DV ist die Adaption einer in den USA bereits etablierten Schnittsoftware für den Fast DV-Master. Das die eben gelieferte Version 3.51 bereits überholt war, weil in den USA bereits die Version 4.x verkauft wurde (natürlich nicht für DV), wurde mir bewußt, als ich die ersten Softwaremängel entdeckte und im Internet nach Updates suchte. Das größte Problem: Die Version 3.51 verfügt über keine Gerätesteuerung. Der Zuspielrecorder muß manuell gesteuert werden, während man jede Szene manuell mit der Maus zur Aufnahme anstoßen muss. Zu allem Überfluss ist jede Aufzeichnung auch noch mit einer zusätzlichen Dialogbox zu bestätigen. Diesen Umstand stellte ich natürlich erst fest, als die fertig konfigurierte Anlage vor mir auf dem Tisch stand und ich mit dem ersten Projekt beginnen wollte.

DV-Master pro: Geld zum Fenster herausgeschmissen?

Ich ärgerte mich sehr über diese ‚Profilösung‘ von Fast. Ich besitze den DV-Master pro nun seit über einem halben Jahr. Bis zu heutigen Tag (19. März 1999) habe ich noch keinen professionellen Film mit der Anlage geschnitten. Für mich war es zunächst eine überflüssige Investition. Meiner Meinung nach kann man mit dieser Software nicht vernünftig arbeiten. Mehrere Postings in diversen Newsgroups brachten mir die Bestätigung, dass ich mit meiner Meinung nicht alleine war. Den Profis, die diese Lösung zum Geld verdienen brauchten, blieb nichts anderes übrig, als ein externes Zusatzgerät zu kaufen, welches an die serielle Schnittstelle angeschlossen, die Steuersignale zur Videosteuerung in herkömmliches Lanc umwandelt und so eine Batchsteuerung des Zuspielers ermöglicht. Diese Auskunft bekam ich auch von Fast Electronics. Da ich aber zu diesem Zeitpunkt noch keine kommerziellen Aufträge hatte, kam eine weitere Ausgabe für mich nicht in Frage – zumal bereits bekannt war, daß die nächste Version des Speed Razors die Batchsteuerung ermöglichen wird.

Und so warte ich momentan auf die Nachricht von Fast, daß die neue Version der Software bestellt werden kann. So wie ich diese Firma kenne, erfolgt die Ankündigung dieser Tage auf der CeBit, die Auslieferung erst im Herbst. Und natürlich zu den üblichen gesalzenen Preisen.

Meine Arbeitsweise

Inzwischen ist es Herbst 1999. Fast hat sich mit der Herausgabe der neuen Version von Speed Razor DV mächtig Zeit gelassen. Da ich aber das ganze Jahr kaum dazu gekommen bin, meine Rohfilme zu bearbeiten, habe ich mich nicht mehr so sehr für das Update interessiert. Mittlerweile wird es wohl zu verfügbar sein, aber ich habe mich an meine Ausstattung gewöhnt und möchte jetzt eigentlich gar nicht mehr wechseln. Meine Arbeitsweise hat sich den Gegebenheiten angepaßt. Ich arbeite jetzt folgendermaßen:

  • Als Erstes wird der Rohfilm gesichtet. Dabei liegt die Quellcassette in der Kamera (VX1000), welche über i.Link (Firewire) mit dem DHR-1000 DV-Recorder verbunden ist. Beide Geräte sind mittels Lanc-Kabel am Schnittsteuercomputer RM-E500 angeschlossen. Bereits beim Sichten der Quellfilme markiere ich die guten Szenen im Schnittcomputer. Habe ich ein Band vollständig duchgesehen, so sind auch alle Grobschnitte im RM-E500 gespeichert.
  • Als nächstes lasse ich den Schnittcomputer die herausgesuchten Szenen auf den DHR1000 aufnehmen. das geht automatisch, da der Schnittcomputer die Videokamera und den Aufnahmerecorder nahezu bildgenau steuern kann. Das Ergebnis entspricht dem Grobschnitt. Da der Kopiervorgang über i.Link erfolgt, ist der das Ergebnis absolut verlustfrei.
  • Nachdem ich alle Quellcassetten nacheinander nach obigem Verfahren gesichtet und auf einem DV-Band zusammengeschnitten habe, lege ich in Speed Razor das Videoprojekt an, welches ich bearbeiten möchte.
  • Jetzt nehme ich das zusammengeschnittene Videomaterial auf die Festplatte auf. Zunächst erscheint der Grobfilm als ein einziger Clip in der Projektbibliothek.
  • Damit ich den Film zusammenstellen kann, muss ich den Clip in seine Einzelszenen auftrennen. Für jede Szene suche ich ein möglichst eindeutiges Vorschaubild heraus, so dass ich später, beim Zusammenstellen des Filme bereits in der Bibliothek genau sehe, welche Szene jeder Clip beinhaltet.
  • Habe ich auch noch anderes Bildmaterial zur Verfügung, zum Beispiel digitale oder gescante Fotos, so bereite ich nun diese ins richtige Dateiformat und die korrekte Bildgröße vor und importiere sie ebenfalls in die Bibliothek des Videoprojekts.
  • Jetzt suche ich die Musik aus, lese sie von CD auf die Festplatte ein und wandle sie in das WAV-Format um. Alle Musikstücke werden ebenfalls in die Bibliothek aufgenommen.
  • Im Geiste habe ich den Film bereits im Kopf, denn ich kenne die Szenen, die ich zur Verfügung habe, durch die vorangegangenen Arbeitsschritte bereits recht genau. Nun schreibe ich den Kommentartext und nehme ihn direkt auf die Festplatte auf. Um möglichst wenig Störgeräusche mit aufzuzeichnen, arbeite ich mit einem leisen Notebook und überspiele die resultierenden WAV-Files danach auf den Videorechner.
  • Nun beginnt der eigentlich kreativste Teil der Arbeit: das Zusammenstellen des Films. Dabei vergeht die meiste Zeit, denn Szenen und Übergänge müssen immer wieder neu zusammengestellt und ihre Wirkung überprüft werden. Aber nicht nur die Bilder, auch der Ton ist wichtig. Das Zusammenspiel von Musik, Originalton, und Kommentartext muss immer wieder überprüft und optimiert werden. Dabei fallen viele Stunden Rechenzeit an, denn je nach Ausgangsmaterial, muss der Computer recht lange an dem fertigen Film rechnen.
  • Am Anfang des Films lasse ich stets genügend Platz für einen Vorspann, denn den erstelle ich normalerweise erst zum Schluss.
  • Habe ich den Film fertig, so zeichne ich ihn auf zwei DV-Bänder auf. Dies ist eine Sicherheitsmaßnahme, falls eines der Bänder kaputt gehen sollte. Außerdem erstelle ich, je nach Film und Dauer auch einige Kopien auf SVHS und Normal-VHS. Diese Filme kann man besser vorführen oder verleihen. Natürlich gestalte ich auch ein ansprechendes Cover für die Kassetten, denn wenn ich so viel Arbeit in ein Videoprojekt stecke, dann möchte ich es am Ende auch ansprechend präsentieren.
  • Inzwischen bin ich auch dazu über gegangen, ganz zum Schluss alle Daten, die mit dem Videoprojekt in Verbindung stehen, auf DAT zu sichern. So kann ich später, wenn mich etwas sehr an dem Film stört, das Projekt nochmals zur Bearbeitung auf den Videorechner laden um die erforderlichen Änderungen vorzunehmen.

Schnittsoftware Speed Razor DV 4.7

Tja, noch vor 14 Tagen war ich der Meinung, auf das Upgade der Schnittsoftware Speed Razor DV von 3.51 auf 4.7 verzichten zu können. Ein Besuch auf den Internet-Seiten von Fast hat mich jedoch wieder mit dem Wunsch nach mehr Leistung infiziert: ich habe letzte Woche das 1.200,. DM teure Upgrade der Software bestellt und warte nun sehnsüchtig auf die Lieferung …

Sie ist gekommen! Nach nur einmal hinterhertelefonieren brachte der Paketdienst die heißersehnte Lieferung. Ich habe das Upgrade installiert und es läuft. Absolut fehlerfrei, ohne Dropped Frames, ohne Piepser, mit bildgenauem Batch-Capturing – kurz: ich bin begeistert. Endlich ein professionelles System.

Zur Zeit bearbeite ich ein größeres Projekt mit dieser Software. Meine Erfahrungen werde ich demnächst an dieser Stelle beschreiben.

Fazit

Die Videobearbeitung ist eine äußerst langwierige Tätigkeit. Wer den fertigen Film betrachtet, merkt nicht, wie viel Arbeit in diesem Werk steckt. Die Perfektion, wie wir sie vom Fernsehen kennen, wird ein Amateur in den seltensten Fällen erreichen. Ihm fehlen dazu einfach die technischen Möglichkeiten, die Archivaufnahmen und die finanziellen Mittel. Deshalb hat er es schwer, unsere verwöhnten Augen zu beeindrucken. Man möge dies bei der Beurteilung eines Amateurfilms berücksichtigen.

Dezember 2006 – Die Story endet hier

Inzwischen habe ich die Fortführung des Artikels aufgegeben. Die Technik hat sich derartig weiterentwickelt, dass es heute keine Probleme mehr gibt, über die es sich zu schreiben lohnt. Ehrlich gesagt, bekomme ich immer ein schlechtes Gewissen, wenn ich an die vielen Stunden ungeschnittenen Filmmaterials denke, welches in meinen Schränken schlummert. Vielleicht wird es mir irgendwann mal so langweilig, dass ich mich daran mache, einen Film über die frühe Kindheit unserer Kids zusammenzustellen. Weil ich über so viel ungeschnittenes Material verfüge, filme ich kaum noch. Inzwischen hat mich die Realität eingeholt. Die Freizeit ist zu knapp, um stundenlang an fünf Minuten Film herum zu feilen.

März 2009

Ich werde das Thema Videofilmen auf dieser Homepage wieder aufgreifen. Die Technik hat sich weiterentwickelt und ich kann mich der Faszination bewegter Bilder auf Dauer nicht entziehen. Seit April 2008 bin ich im Besitz einer FullHD-Kamera (Canon HF100). Die Bildqualität und die effiziente Nachbearbeitung von Videoaufnahmen machen alle in diesem Artikel beschriebenen Schwierigkeiten zunichte. So macht Videofilmen wieder Spaß. Das Ergebnis meiner filmischen Arbeiten ist zum Teil in den einzelnen Beiträgen dieser Homepage zu finden. Die Neustrukturierung unserer Homepage macht es möglich, Artikel künftig schneller zu veröffentlichen und so werde ich wohl wieder des Öfteren an dieser Hobbyrubrik weiterarbeiten um Tipps und Trick zu verraten.

Februar 2018

Nein! Ich werde dieses Thema nicht mehr fortsetzen. Mittlerweile kann jeder mit seinem Telefon FullHD-Videos erstellen. Es gibt Actioncams (ich habe selbst zwei davon), die über und unter Wasser gestochen scharfe Aufnahmen liefern und dabei noch unverwüstlich sind. Mit Drohnen kann man, wenn man über das nötige Kleingeld verfügt, phantastische Aufnahmen aus der Vogelperspektive drehen. Und ich war mal stolz auf verwackelte Aufnahmen, nur weil man sie auf dem Fernseher anschauen konnte. Apropos Fernsehen: wer schaut heute eigentlich noch Fernsehen?…

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