Samstag, 25. Mai 2002

Während wir beim Frühstück sitzen, verabschiedet sich der Niederländer, der vorne direkt am Strand stand. Jetzt haben wir absolut ungestörten Blick auf das Meer. Annemarie meint, das schöne an diesem Platz sei, dass man zwar auf einem Campingplatz stehe, aber dass Gefühl habe, man stehe frei.

Ich gehe mit den Kindern an den Strand zum Baden. Die Sonne scheint heute sehr heiß vom Himmel und es regt sich kein Lüftchen. Das Meer ist absolut ruhig.

Dominik und Fabian

Das Gefühl des Freistehens hält nicht lange an. Im Lauf des Vormittags fällt eine Horde Wohnmobile und Wohnwagengespanne wie Heuschrecken auf dem Campingplatz ein. Es sind die 14 Besatzungen von Perestroika Tours, die wir auf dem Campingplatz von Istanbul gesehen haben. Sie sind auf einer geführten Reise durch die Türkei. Alle Teilnehmer sind Rentner, teilweise im fortgeschrittenen Alter. Zwei Mobile fahren bis vorne auf die sandige Fläche, an deren Rand wir stehen. Eine Frau, die schon seit Tagen hier steht, macht den Fahrer des einen Wohnmobils, ein Carthago aus Österreich, darauf aufmerksam, dass die Fläche sehr sandig ist und man leicht einsinke. Er meint jedoch recht überheblich, er wisse schon was er tue. Die Teilnehmer der Reisegruppe verteilen sich ohne besondere Rücksichtnahme auf dem Platz. Teilweise bleiben den schon länger auf diesem Campingplatz verweilenden Urlaubern noch 2 Meter Platz zwischen ihrer Eingangstür und dem Wohnwagen eines Perestroika-Nachbarn.

Unser Fleckchen war so idyllisch!

Vorbei ist es mit unserer Idylle. Das Kukidentgeschwader (treffender Begriff, geprägt von Frank) packt seine Stühle aus und lässt sich direkt neben unserer Markise zum gemeinsamen Geschnatter nieder. Als ich vom Strand zurück komme, halte ich das nicht lange aus und so fahre ich mit dem Motorroller nach Selçuk. Dort ist heute Markt und ich möchte mir Trekkingsandalen kaufen.

Türkische Märkte sind immer wieder ein Erlebnis. Es wuselt von Menschen, überall werden lautstark die Waren angepriesen und wenn man länger als eine Sekunde eine Auslage betrachtet, dann hat man sofort einen Händler am Hals, der einem etwas verkaufen will und nur ungern ohne Einkauf gehen lässt. Ich suche jedoch lediglich Sandalen und so laufe ich gezielt über den Markt um mir ein Bild über Angebot und Preise zu machen. Die meisten Sandalen kosten zunächst 25 Millionen, wenn man nach dem Preis fragt. Ich setze mir ein Limit von 15 Millionen. Irgendwann sehe ich das Paar Sandalen, dass mir gefallen würde. 20 Millionen möchte der Händler. Ich biete 15 Millionen und er willigt ein. Hätte ich 10 Millionen bieten sollen?

Okay – ich habe meine Sandalen. Jetzt knurrt mir der Magen und meiner Familie bestimmt auch. Deshalb fahre ich zurück zum Campingplatz um den Grill anzuwerfen. Die neuen Sandalen ziehe ich gleich an.

Ich heize den Grill an und vertreibe mit meinem Qualm unsere Nachbarn. Es tut mir leid, aber wer uns so auf die Pelle rückt, ist selbst schuld. Wir garen wieder Kartoffeln und Zwiebeln zu unserem Fleisch und genießen das Essen. Später sitze ich etwas mit dem Walkman in der Sonne und höre Musik. Mit dem Kopfkörer auf den Ohren muss ich mir nicht zwangsweise die Unterhaltungen meiner neuen Nachbarn anhören. Manche älteren Wohnmobilfahrer entpuppen sich als Besserwisser. Unser Nachbar mit dem Carthago gehört in diese Kategorie. Ich muss und will mir das nicht anhören. Da helfen nur Kopfhörer und laute Musik.

Als einige Wolken die Sonne verdrängen, machen wir uns mit den Motorrollern nochmals auf den Weg nach Selçuk auf den Markt. Sarah wünscht sich neue Schläppchen und Annemarie möchte einfach so über den Markt schlendern. Ich halte es momentan einfach nicht bei den Perestroikaianern, die uns so auf die Pelle gerückt sind, aus, und fahre deshalb auch mit.

Allerdings merken Fabian und ich bald, dass es ein grober Fehler war, zusammen mit zwei Frauen, die Klamotten suchen, auf einen Wochenmarkt zu gehen. Und so setzen wir uns schon nach kurzer Zeit wieder ab, um zum Campingplatz zurück zu kehren.

Wir erreichen den Platz genau zum richtigen Zeitpunkt, um mitzubekommen, wie der Carthagofahrer sein Wohnmobil um 90 Grad drehen möchte, wahrscheinlich um noch einen besseren Blick auf das Meer zu haben. Zur Erinnerung: der Carthagofahrer war derjenige, der genau wusste, was er tut. Er setzt zum Rangieren an und gräbt sich ein. Da steht er nun, der große schwere Carthago, und kommt nicht mehr vor oder zurück. Ich verkneife mir eine Bemerkung und das Lachen, schließe mein Wohnmobil ab und mache mich erst mal aus dem Staub, bevor jemand mich zum Schieben auffordern kann. Normalerweise helfe ich ja gerne, aber es gibt Grenzen. Ich besuche Stefan, der ja bekanntlich an der Einfahrt des Campingplatzes steht. Gemeinsam lästern wir erst Mal nach leibeskräften ab. Als ich zu unserem Mobil zurück kehre – Annemarie und Sarah sind inzwischen auch zurück – steht der Carthago schon bis zur Achse eingegraben im Sand. Schadenfreude ist die schönste Freude. Der halbe Campingplatz steht zusammen und grinst sich eins, während die Perestroikaianer versuchen, die Karre aus dem Sand zu ziehen. Jeder der Rentnergang weiß irgendwas besser – die Sache hat einfach einen hohen Unterhaltungswert. Da es natürlich tierisch staubt und sich die ganze Aktion direkt neben unserem Wohnmobil abspielt, verrammeln wir präventiv alle Fenster und Luken. Selbst schuld: er wusste ja, was er tut!

Hauptsache, man steht in der ersten Reihe – unverbaubarer Meerblick, sozusagen

Obwohl die Bergungsversuche total planlos durchgeführt werden, schaffen sie es irgendwann dank des Campingplatzbesitzers, der einfach den Sand nass spritzt, die Karre heraus zu schieben. Einer der Truppe macht sich zwar furchtbar wichtig und schreit herum, das Nassspritzen bringe nichts, das gebe nur "Schmodder", aber der Platzbesitzer weiß eben wirklich, was er tut.

Gruppenreisen – nein Danke.

Am Abend überfallen uns die Steckmücken und so ziehen wir uns ins Wohnmobil zurück. Ich habe heute so viel zu erzählen <grins>…

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