Heute passiert uns dass, was wir schon immer befürchtet haben: wir erwachen auf dem Markplatz. Um uns herum befindet sich ein Markt. Da unser Wohnmobil aber ganz am Rand des Platzes nahe der Ausfahrt geparkt ist, hat man uns eine Möglichkeit zum Wegfahren gelassen. Es handelt sich nur um einen kleinen Markt und wir stehen auch nicht im Weg, also frühstücken wir noch gemütlich vor Ort, bevor wir weiterfahren.
Unser vordringliches Problem ist nun, dass die Toilettenkassette inzwischen randvoll ist. Wir müssen also dringend entsorgen. Wir fahren Richtung Küste und suchen in denOrtschaften Pogorzelica und Rewal nach einem Campingplatz. Wir würden einen Tag bleiben, finden aber keinen geöffneten Platz. Es gibt mehrere Plätze, die als Campingplatz gekennzeichnet sind, aber nur kleine Holzbaracken vermieten. Bei einem dieser Plätze arangiert Annemarie, dass wir wenigstens unsere Toilette entsorgen dürfen. Nachdem unser vordringlichstes Problem behoben ist, flanieren wir noch etwas durch Rewal, kaufen ein paar Geschenke und genehmigen uns ein Eis.
Sarah mit Rieseneis
Nach dem wir das Eis verdrückt haben, verlassen wir Rewal Richtung Westen und gelangen wieder auf die 102, die sich hier der Küste nähert. Helmut und Angelika beschreiben einen Platz nahe der Straße (146), an dem man an der hiesigen Steilküste stehen könnte. Bereits von der Straße aus entdecken wir diesen Platz und – Gleitschirme in der Luft. An der Steilküste zwischen Rewal und Trzesacz wird geflogen! Mein Herz macht einen Satz und wir biegen auf die abenteuerliche Buckelzufahrt zum Parkplatz ab. Das Wohnmobil verwindet sich abenteuerlich, weil die Schlaglöcher des Feldweges bestimmt teilweise 50 cm tief sind. Man kann nicht allen Löchern ausweichen, sodass es gehörig schaukelt, bis wir auf dem Parkplatz sind (N54 04.688 E14 59.806). Aber das macht alles nichts. Ich komme doch noch zum Fliegen! Ich hatte mich schon geärgert, den Gleitschirm mitgenommen zu haben, nachdem in Leba keine Möglichkeit zum erhofften Dünenfliegen gegeben war.
Nach kurzer Sondierung der Lage räume ich die Heckgarage des Wohnmobils aus, um an den Gleitschirm zu kommen. Eine gewisse Erregung hat mich gepackt, die wahrscheinlich nur Flieger nachempfinden können.
Den restlichen Tag dreht sich für mich alles nur noch ums Fliegen. Ich komme zwar auch zu einem kurzen Flug, aber nur unter großen Schwierigkeiten. Die Windsituation stellt sich an dieser Steilküste als für ortsfremde Piloten sehr schwierig dar. Der Wind kommt vom Meer her, wird durch die Steilwand nach oben abgedrängt und bildet auf dem Plateau einen Rotor. Dies ist eine Luftverwirbelung, in Form einer Walze. Für den Startenden hat dies zur Folge, dass er beim Aufziehen des Schirmes Rückenwind hat. Sobald der Schirm oben ist, wird er vom starken Wind erfasst, sodass es große Kraft erfordert, ihn über sich zu halten. Die meisten Piloten lassen sich, nachdem sie den Schirm aufgezogen haben, von Freunden in die Luft schieben. Danach soaren sie herrlich an der Kante entlang. Mir gelingt kein Start, obwohl ich es immer wieder versuche. Allerdings habe ich auch keine Hilfe, wie die anderen Piloten.
Aufziehübungen
Annemarie bricht in der Zwischenzeit mit den Kindern zu einer Strandwanderung auf.
Sarah kann nach dem Urlaub, ohne zu lügen, behaupten, sie sei in der Ostsee gewesen.
Der Wind wird im Tagesverlauf immer stärker und die Startbedingungen auf dem Plateau immer schlechter. Nach einiger Zeit beobachte ich, dass manche Piloten an den Strand hinunter steigen, um von unten zu starten. Ich wittere meine Chance und steige ebenfalls hinunter. Allerdings ist der Wind unten nicht so stark, wie ich gehofft hatte. Hier stellt sich die Starttechnik als besonders trickreich heraus. Ich beobachte einen Piloten, wie er seinen Schirm rückwärts aufzieht und mit dem über sich stehenden Schirm ein kleines Stück den Steilhang hinauf klettert. Von dieser erhöhten Position aus springt er einfach ab und mit nur einem Meter Höhe unter dem Gurtzeug fliegt er los.
Start am Strand
Der Wind ist so stark, dass er die Kante hinauf getragen wird und schließlich auch oben entlang soaren kann. Tatsächlich gelingt mir dieses Manöver auch nach kurzer Zeit.
Aufziehen des Schirms
Ich fliege und der Schirm trägt. Allerdings habe ich ein Problem. Meine linke Bremse ist verhängt – ich kann nicht steuern. Bevor ich steuerungsunfähig gegen die Steilwand gedrückt werde, zwinge ich den Schirm wieder hinunter an den Strand. Nach ca. 100 Meter Flug lande ich. Beim nächsten Startversuch wird der Schirm von einer Böe erfasst und es schleudert mich gegen die Steilwand. Dabei öffnet sich der Rettungscontainer und der Reserverschirm fällt heraus. Schnell breche ich den Start ab. Mein Schirm hängt in der Steilwand und droht sich mit der nächsten Böe selbständig zu machen, der Rettungsschirm liegt geöffnet unter mir und ich habe ein Problem: über mir befindet sich die Steilwand und ich weiß nicht, wie ich dort hinauf kommen soll. Gott sei Dank hat mein Malheur von oben beobachtet und wirft mir ein Seil zu. Ich löse mich aus dem Gurzeug, raffe den Rettungsschirm zusammen und bringe mit Hilfe des Seils zunächst Gurtzeug und Rettung nach oben. Danach steige ich hinunter, um meinen Schirm zu holen.
Schirmbergung
Nachdem ich ihn als Knäuel nach oben gebracht habe, unter Mithilfe der anderen Flieger, die mich mit dem Seil den steilhang hinauf ziehen, beginne ich mit den Aufräumarbeiten. Der Schirm ist durch den Strand ziemlich verschlammt, es befindet sich Sand in den Kammern und die Leinen sind nur noch ein Gewirr. Bis zum Einbruch der Dunkelheit bin ich nun beschäftigt. Annemarie hilft mir bei reinigen des Schirms.
So schön könnte soaren in der Abendsonne sein. Dazu muss man aber die hiesigen Windbedingungen beherrschen.
Als wir fertig sind, stellen wir uns nacheinander im Wohnmobil unter die Dusche. Ich bin von den heutigen Anstrengungen fix und alle. Trotzdem reicht es nach dem Abendessen noch für ein kurzes Uno-Spiel. Zum Schreiben habe ich allerdings wieder keine Energie mehr…
Eine Antwort auf „Mittwoch, 5. September 2007“