Sonntag, der 8. August 2010

In der Nacht beginnt es zu regnen, besser gesagt, zu gießen. Es hört auch nicht auf, als wir gegen 9:30 Uhr aufstehen. Wir frühstücken im Wohnmobil, während sich draußen, auf dem Weg neben dem Wohnmobil, langsam ein See bildet. Teilweise schwillt der Regen zum Wolkenbruch an und der See wird immer tiefer und breiter. Schon bald hat er den Weg hinter sich gelassen und beginnt die umliegenden Flächen, wo auf der einen Seite Autos geparkt sind und auf der anderen seite unser Wohnmobil steht, zu füllen. Es sieht sehr nach einem Dauerregen aus, denn der Himmel ist in allen Richtungen gleichmäßig grau. Wir halten kurz Kriegsrat und sind uns dann einig: wir verlassen den Campingplatz heute. Bei diesem Dauerregen können wir aber gleich auch die Insel Rügen verlassen, denn was sollen wir hier bei diesem Wetter auch tun?

Es regnet nicht nur, es gießt vielmehr wie aus Kübeln

Der See neben unserem Wohnmobil. Die meisten Laute haben ihre hier geparkten Autos bereits in Sicherheit gebracht.

An diesem Golf kann man erkennen, wie tief das Wasser inzwischen schon ist

Also beginne ich, im Regen zusammenzupacken. Alles ist nass, aber Hauptsache wir haben es im Auto. Wenn das Wetter irgendwann und irgendwo besser ist, werden wir uns wieder auf einem Campingplatz niederlassen und die feuchten Sachen trocknen. Gegen Mittag sind wir fertig. Wir fahren noch zum Entsorgen, bezahlen dann die Platzmiete und verlassen den Campingplatz. Fabian kennt wieder nur ein Thema: er will nach Hause. Sarah und er haben nur noch Streit miteinander. Es gibt die wüstesten Beschimpfungen zwischen den beiden. Sarah geht auf die Nerven, dass sich alles nur noch um Fabian zu drehen scheint. Schließlich versuchen wir ständig, ihn bei Laune zu halten. Fabian nutzt das natürlich aus, hilft nichts oder nur unter größtem Theater. Er macht nur was er will, kommt und geht, wann er will und tut alles, um uns den Urlaub nach Kräften zu verderben. Es macht wirklich keinen Spaß mehr mit ihm. Es gibt Momente, da bekommt man den Eindruck, dass alles in Ordnung und Fabian zufrieden ist. Aber nur Minuten später kann er wie ausgewechselt sein. Dazu reicht die kleinste Nichtigkeit, eine minimale Bemerkung von mir oder Sarah.

Wir nehmen Kurs auf die Brücke nach Stralsund. Es regnet immer noch in Strömen. Unterwegs redet Fabian immer wieder davon, dass er nach Hause will. Ich frage ihn, was er denn möchte. Er meint, er wolle keinen Urlaub in Deutschland. Er hätte gedacht, wir würden nach Frankreich fahren. Dort würde es ihm gefallen, aber in Deutschland sei alles langweilig. Das ist natürlich Quatsch, denn wir hatten lang und breit besprochen, dass wir uns dieses Jahr die Norddeutschen Küsten anschauen wollen. Aber Fabian biegt sich die Wahrheit eben so zusammen, wie er sie für seine Argumentation benötigt. Wir diskutieren während der Fahrt, dass wir durchaus noch nach Frankreich fahren könnten. Nach Rügen nehmen wir ohnehin Kurs Richtung Westen. Ich möchte, zusammen mit den Kindern, gerne noch an den Nord-Ostseekanal und an die Nordseeküste. Die Kinder haben beide davon geschwärmt, einmal Ebbe und Flut zu sehen. Schließlich hatten sie diesen Stoff bereits in der Schule behandelt. Aber was Fabian gestern gesagt hat, interessiert Fabian heute schon nicht mehr. Jetzt meint er, ein Urlaub in Frankreich hätte ihm gefallen, Deutschlands Küsten interessieren ihn nicht.

Kurz bevor wir Rügen verlassen, halte ich noch an einem Real-Supermarkt an. Hier auf der Insel haben die Geschäfte Sonntags auch von 13:00 bis 18:00 Uhr geöffnet. Wir benötigen ein paar Lebensmittel und einige andere Kleinigkeiten. Sarah und Fabian wollen in der Zwischenzeit die berüchtigte Dose Ravioli warm machen und essen. Der Parkplatz des real ist bis auf den letzten Platz belegt. Es regnet immer noch in Strömen und die Leute scheinen alle den Supermarktbesuch als Alternativprogramm zu sehen. Im Supermarkt geht es zu wie auf dem Basar. Ein Mann sagt zu seiner Frau, dass ih das Gedränge an Weihnachten erinnere und das trifft den Nagel auf den Kopf. Als ich meine Sachen zusammen habe, stehe ich eine geschlagene halbe Stunde an der Kasse an.

Real-Parkplatz an einem Sonntag-Nachmittag

Endlich komme ich zum Wohnmobil zurück. Aber die Kinder haben nicht gegessen. Sie haben die Dose nicht aufbekommen. Der Dosenhöffner, den wir erst auf dieser Reise gekauft haben, der Wohnmobildosenöffner liegt offenbar zu Hause, hat sich als unbrauchbarer Schrott herausgestellt. Die Raviolidose sieht aus wie nach einem Verkehrsunfall, ist aber trotzdem nicht offen. Mit Hilfe eines Schraubenziehers und einer Zange schaffe ich es schließlich, der Dose den Inhalt zu entlocken. So kommt Fabian doch noch zu seinen Ravioli.

Nach dem Essen fahren wir weiter, bis wir gegen 17:00 Uhr in einer Siedlung Station machen. Es regnet immer noch und es macht eigentlich keinen Sinn, heute noch endlos weiter zu fahren. Vielleicht ist das Wetter morgen schon wieder besser und wir können hier irgendetwas unternehmen. Um Fabian einen Gefallen zu tun, lege ich eine DVD in unseren portablen Abspieler, die ihm gefallen dürfte: „The Fast And The Furious“. Dazu gibt es Bonbons und Chips. Später versuche ich den Kindern das Kartenspiel Kanasta beizubringen, aber Kartenspielen war mit Fabian schon immer schwierig bis unmöglich, so auch diesmal, sodass nach einigen Versuchen Sarah und ich alleine weiterspielen.

Videoabend im Regen

Als es bereits gegen 21:00 Uhr ist, entwickelt sich zwischen Sarah und Fabian wieder ein heftiger Streit, in dessen Verlauf Fabian immer mehr ausrastet, brüllt und tobt und alles durchs Wohnmobil schmeißt, was er greifen kann. Ich verfrachte ihn in den Alkoven, wo er weniger zerstören kann und versuche ihn zu beruhigen oder unter Kontrolle zu bekommen. Aber Fabian lässt sich nicht beruhigen. Er tobt und wirft Sarahs Sachen aus dem Alkoven, was diese wiederum ebenfalls in Wut bringt. Kurz gesagt: hier fliegen die Fetzen. Fabian brüllt aus Leibeskräften. Fabian kann sehr laut brüllen. Irgendwann klopft es an die Wohnmobiltür. Ich habe bereits damit gerechnet, dass dieses Gebrüll die Bewohner der Siedlung auf den Plan rufen wird. Sarah öffnet die Tür.

Draußen steht eine Menschentraube. Eine Frau kommt herein und fragt, ob wir Hilfe bräuchten. Sie fragt Fabian, was er habe, will von uns wissen, was der Auslöser für Fabians Gebrüll gewesen sei. Wir versuchen zu erklären, aber eigentlich kann man das gar nicht erklären. Fabian hat manchmal solche Aussetzer. Wie erklärt man das einer Fremden? Fabian hat sich inzwischen dazu entschlossen, Toter Mann zu spielen. Er liegt in Ebryostellung im Bett und reagiert auf keinerlei Ansprache. Er bleibt noch lange so liegen, als die Frau wieder gegangen ist, nicht ohne anzudrohen, dass sie Maßnahmen ergreifen werde, wenn jetzt nicht Ruhe sei. Sarah ist die Geschichte hochpeinlich und ich bin irgendwie nur ernüchtert. Fabian hat es jetzt wohl geschafft. Ich denke, wir werden diesen Urlaub beenden. Er hat es sich in den Kopf gesetzt, uns die Reise zu verderben, um vorzeitig nach Hause zur Playstation zu kommen und das hat er jetzt geschafft. Zumindest hat er geschafft, dass unser Urlaub vorzeitig endet. Auf die Playstation wird er zuhause weiterhin verzichten müssen.

Erst überlege ich, sofort Kurs Richtung Heimat zu nehmen. Wenn ich heute Nacht durchfahre, könnten wir morgen Vormittag zuhause sein. Schließlich halte ich es aber doch für klüger, eine Nacht darüber zu schlafen und morgen früh zu entscheiden.

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